"Große" Literatur, die sich dennoch leicht liest, mit viel Herzenswärme, ganz ohne Spektakel und "Drama". (DR) Die US-amerikanische Autorin Elizabeth Strout hat noch keine Handvoll Bücher veröffentlicht und ist gleichwohl seit 2009 Pulitzer-Preis-Trägerin. Trotzdem erscheint "Bleib bei mir" erst jetzt bei uns. Das Original, "Abide with me", wurde bereits 2005 publiziert. Die Stärke der Autorin ist es, das Alltägliche in einen übergeordneten, allgemein gültigen Kontext zu setzen, ohne zu überzeichnen oder kitschig zu werden. Den Rahmen der Handlung bildet das Kleinstadtleben von West Annett in Maine, der Mittelpunkt ist der junge Pastor Tyler Caskey und wir befinden uns in den "winterlichen letzten Monaten des Jahres 1959". Der Tod seiner Frau stürzt Tyler, ohne dass er sich dessen zunächst bewusst ist, in eine tiefe Krise. Seine fünfjährige Tochter hat seitdem kein Wort mehr gesprochen und verhält sich auch sonst ungewöhnlich. Aber das merkt er nicht; oder will es nicht merken. Er flieht in seinen Glauben, doch der trägt nicht mehr wie gewohnt. Plötzlich ist er ein Suchender. Er ist sich seiner Berufung nicht mehr so sicher und will doch nur, dass alles so bleibt, wie es ist. Die Hilfsangebote der Gemeinde entgehen ihm oder sind ihm suspekt. Zum Teil durchaus begründet, denn vor allem die Frauen der Gemeinde liefern sich einen Wettstreit aus Fürsorge und Klatsch. Im Ort fragt man sich langsam, ob der anfangs so verehrte Pastor wirklich der Heilsbringer ist, zu dem man ihn machte. Mit viel Feingefühl zeichnet Strout die ebenso aufrichtige wie spießbürgerliche Gesinnung des Pastors und der Gemeindemitglieder nach, geht ihren Regungen und Untiefen auf den Grund, ohne zu psychologisieren, führt sie an den Abgrund und rettet sie dann doch. Nicht reißerisch oder sich am Leid ihrer Figuren ergötzend. Einfach nur empfehlenswert. *bn* Leopold Haselbacher

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Personen: Roth, Sabine Strout, Elizabeth