Kindermann, Barbara
Der Kaufmann von Venedig nach William Shakespeare
Buch

Annotation: Lesenswerter Versuch, klassische Literatur Jugendlichen, aber auch Älteren, in Neuschöpfungen näher zu bringen. Rezension: Der Kindermann-Verlag in Berlin bemüht sich seit einiger Zeit, Klassiker der Weltliteratur (in weiteren Reihen auch Balladen und Bildende Kunst) jungen LeserInnen in Nachschöpfungen näher zu bringen. Der Begriff der "Weltliteratur", von Christoph Martin Wieland erstmals als Literatur für den "homme du monde" eingeführt, wurde jedoch 1827 von Goethe als Bezeichnung für Literatur, aus einem übernationalen, kosmopolitischen Geist heraus geschaffen, verwendet. Da sie aber - wie jede gute Literatur - infolge Komplexität in Struktur wie Inhalt eine doch recht anspruchsvolle "ars interpretandi" von den Lesenden voraussetzt, hat man schon vor längerer Zeit damit begonnen, leichter fassliche Redaktionen solcher Dichtungen zu erstellen. Speziell bei Shakespeare sind die Bearbeitungen "Tales from Shakespeare" in 2 Bänden aus 1807 vom englischen Dichter Charles Lamb und seiner Schwester Mary Ann bekannt geworden (bis hin zum speziellen Einsatz in Graham Greenes Roman "Unser Mann in Havanna"), die wiederum neu von Käthe Recheis mit Illustrationen von Janusz Grabianski (bei Carl Ueberreuter) erzählt wurden; eine umfangreiche Sammlung von Nacherzählungen Shakespeare'scher Werke verfasste der Schweizer Gegenwartsautor Urs Widmer (bei Diogenes). Von William Shakespeare wählte Barbara Kindermann bislang "Hamlet", "Romeo und Julia", "Viel Lärm um nichts", "Ein Sommernachtstraum" und eben "Der Kaufmann von Venedig" aus. Sie bemüht sich in ihrer Neuerzählung so sehr, besonders nahe am Originaltext zu bleiben, dass sie sogar (übersetzte) Sätze, kursiv gedruckt, einarbeitet. Das große Format erlaubt ihr, der Illustratorin Julia Nüsch viel Platz zur Verfügung zu stellen, sodass eine komplett durchkomponierte Doppelseite jeweils viel Anregung zum phantasievollen Nachvollzug der Handlung bietet. Die etwas verfremdet puppenartig wirkenden Figuren bilden zudem den Kunstgriff, in die unbekannte Tiefe der Jahre des lang vergangenen Geschehens zurückzuschauen. Problematisch in der Interpretation dieses Dramas, dessen Stoff Shakespeare - wie man im Anhang lesen kann - der Novellensammlung "Il Percorone" (1554) von Giovanni Fiorentino und der Exempelsammlung "Gesta Romanorum" (anonym von etwa 1300) entnommen hat, ist die Rolle des Juden Shylock, die manchmal antisemitisch gesehen wird; Barbara Kindermann weist aber auf neuere Deutungen hin, die Shylock nicht als Täter, sondern als Opfer verstehen, dessen unmenschliches Verhalten zeigt, was mit einem Menschen passieren kann, der von einer ebenso unmenschlichen Gesellschaft ausgegrenzt wird. Somit bietet der Text, abgesehen vom Amusement der Dechiffrierung der komödienhaften Verwicklungen, durchaus Gelegenheit, solche ernste soziale Fragen zu reflektieren - vielleicht auch im Bezug auf gegenwärtig andere Randgruppen. Wenn vielleicht die bilderbuchartigen Paratextelemente manche Jugendliche als nicht ganz altersgemäß abschrecken, so möchte man/frau ihnen bei diesem wie auch bei den anderen Bänden der Kindermann-Edition ein herzhaftes "Sapere aude!" für eine vorurteilsfreie Begegnung mit diesen klassischen Dichtungen zurufen. *ag* Franz Derdak

Altersempfehlung: ab 11 Jahren.


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Personen: Shakespeare, William Kindermann, Barbara Nüsch, Julia

Kaufm

Kindermann, Barbara:
¬Der¬ Kaufmann von Venedig : nach William Shakespeare / neu erzählt von Barbara Kindermann. Mit Bildern von Julia Nüsch. - 1. Aufl. - Berlin : Kindermann, 2012. - [ca. 36] S. : zahlr. Ill.
ISBN 978-3-934029-49-1

Zugangsnummer: 2013/0105 - Barcode: 2-3230020-6-00001105-1
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