Wenn ich heute darüber nachdenke, was unsere Welt ausgemacht hat, dann denke ich, dass es eine Welt ohne Disteln und Dornen war. Deshalb gingen wir auch meist barfuß. Und wenn ich mich daran erinnere, ist es, als würde alles wieder lebendig und ich wäre wieder die Janine von damals, keinen Tag älter geworden und noch voll naiver Hoffnung. Wir wohnten alle im alten Herrenhaus. Es war unser Zuhause, wir kannten nichts anderes. Mona und Alexia sorgten für uns und waren immer für uns da. Wir konnten Tag und Nacht zu ihnen kommen, wenn wir Sorgen hatten oder Hilfe brauchten. Wenn wir am frühen Abend Tee tranken, saß Lena bei uns im Zimmer. Von ihren Streifzügen brachte sie alle möglichen Blüten und Kräuter mit, die sie uns in den Tee mischte. Niemand wusste so recht, was in ihr vorging. Wir machten uns darüber keine Gedanken. Lena war einfach Lena. Und doch war gerade sie es, die die grauenvollen Geschehnisse ins Rollen brachte. Vielleicht hatte sie von Anfang an gewusst, was passieren würde. Manchmal frage ich mich, wie alles gekommen wäre, wenn sie die Entdeckung des Jungen für sich behalten hätte. Dann wäre womöglich gar nichts passiert. Dann wären wir womöglich immer noch im Herrenhaus, und unsere Welt gäbe es weiterhin: unsere Welt ohne Disteln und Dornen.
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Weiterführende Informationen
Personen: Gross, Rainer
Gross, Rainer:
Die Welt meiner Schwestern : Roman : Books on Demand GmbH, 2014. - 92 S.
ISBN 9783735749178