Amerika ist für die kleine Familie Jonga aus Kamerun das "geträumte Land", in dem sie tatsächlich Fuß fasst. Doch ihre Existenz ist prekär und hängt wesentlich von der Gunst von Jende Jongas Arbeitgeber ab, der seinerseits durch den Börsencrash von 2008 in Bedrängnis gerät. (DR) Jende Jonga und seine Frau Neni sind mit ihrem sechsjährigen Sohn aus Kamerun nach Amerika gekommen und halten sich in New York mühsam über Wasser. Als Jende einen Job als Chauffeur ergattert, verbessert sich ihre finanzielle Lage bedeutend und sie können erstmals hoffnungsvoll in die Zukunft schauen. Jendes Chef, Mister Clark Edwards, Investment Banker bei Lehman Brothers, erwartet von seinem Fahrer tadellose Manieren, Pünktlichkeit und Diskretion. Jende erfüllt diese Erwartungen vollkommen und erwirbt sich das Vertrauen der ganzen Familie. Doch das Glück währt nicht lange. Man schreibt das Jahr 2008, in dem der Börsencrash eine weltweite Finanzkrise auslöst. Clark Edwards steht unter enormem Druck, außerdem kriselt es in seiner Ehe gewaltig. Auch Jendes Job ist in Gefahr, noch dazu läuft seine Aufenthaltsgenehmigung ab… Die Autorin lässt zwei Welten aufeinandertreffen, die gegensätzlicher nicht sein könnten: das luxuriöse Leben der Edwards in der Upper East Side und das der Jongas in einer dunklen Zweizimmerwohnung in Harlem. Eine solche Gegenüberstellung kann sich leicht in Klischees verlieren, doch Mbue tappt nicht in diese Falle. Besonders in der Figur von Neni gelingt ihr ein eindrucksvolles Frauenporträt. Neni ist eine attraktive, selbstbewusste Frau mit einem unbeugsamen Willen, nicht nur zu überleben, sondern es auch zu etwas zu bringen. Sie nimmt verschiedene Jobs gleichzeitig an, um ihren Traum, Apothekerin zu werden, zu verwirklichen. Dies mit der Fürsorge für Sohn und Mann zu vereinbaren, ist keine Kleinigkeit und führt auch zu Spannungen und Auseinandersetzungen. Doch all das vermag nicht ihre positive, geerdete Grundstimmung zu untergraben und die Fähigkeit zu Ausbrüchen unbändiger Lebenslust. Was den Investment Banker betrifft, so zeichnet die Autorin hier nicht das Bild eines skrupellosen Ausbeuters. Clark Edwards ist ein fairer Chef, zahlt überdurchschnittlich gut und zeigt, wenn auch distanziert, ein wenig Interesse an seinem Fahrer. Dennoch wird der krasse Gegensatz zwischen Arm und Reich in keinster Weise beschönigt. Als die Finanzkrise auch das Leben der Bankerfamilie in Mitleidenschaft zieht, ist sich jeder selbst der Nächste. Dies darzustellen, ohne einen Protagonisten zu dämonisieren, ist Imbolo Mbue sehr gut geglückt. Sie erzählt sowohl warmherzig als auch differenziert und verleiht dadurch dem spannenden und großartig geschriebenen Roman Glaubwürdigkeit. Große Empfehlung!
Personen: Mbue, Imbolo Hummitzsch, Maria
D
Mbu
Mbue, Imbolo:
¬Das¬ geträumte Land : Roman / Imbolo Mbue. Aus dem amerikan. Engl. von Maria Hummitzsch. - Köln : Kiepenheuer & Witsch, 2017. - 421 S.
ISBN 978-3-462-04796-7 fest geb. : € 22,70
d - Buch: Dichtung