(ab 9) Rezension: "Es ist die goldene Stunde. […] Diese kurze Zeit zwischen Tag und Nacht … direkt vor dem Sonnenuntergang. Seht ihr, alles wird zu Gold, die Maulwurfshügel, die Mülltonnen, Gebäude - selbst die elendsten Menschen strahlen und glühen." Übergänge, ob räumlich, oder zeitlich wurden schon immer als Schlupflöcher in eine andere Welt genutzt. So inszeniert auch Maiya Williams in ihrem Debüt "Die goldene Stunde" den Moment zwischen Tag und Nacht zu einem Tor in historische Welten. Das alte Hotel am Rande der Kleinstadt Owatannauk verwandelt sich nämlich just zur goldenen Stunde und bietet in seinen besonderen Aufzügen (den Leviatoren) die Möglichkeit zur Zeitreise. Als Rowans Schwester Nina den Aufzug alleine benützt, reist ihr ihr Bruder mit den Zwillingen Xanthe und Xavier im vermeintlich richtigen Leviator hinterher - und sie landen im Frankreich kurz vor der Revolution, während Nina sich in ihre eigene Vergangenheit fahren lässt. Wiliams erzählt souverän auf verschiedenen Ebenen. Lustvoll gestaltet sie einerseits eine spannungsreiche Abenteuergeschichte mit historischem Inventar (auch geschichtlich verbriefte Personen kommen vor) und handelt daneben, ganz flüchtig und in leisen Tönen, die Trauer von Rowan und Nina über den Tod ihrer Mutter ab. Die Kinder lernen auf ihren Zeitreisen den Verlust zu akzeptieren und in ihr Leben zu integrieren. Leben ist schreiben ohne Radiergummi, besagt ein banaler Stammbuchspruch und genau diese Erfahrung müssen die Geschwister schmerzhaft machen. Ungenutzte Chancen und vergebene Momente werden bei Zeitreisen zwar sichtbar, zu ändern sind sie aber selbst dann nicht.
Personen: Williams, Maiya
Williams, Maiya:
Die goldene Stunde / Maiya Williams. - Berlin : Bloomsbury, 2005. - 282 S. - Aus dem amerikan. Engl. von Sabine Rahn
ISBN 978-3-8270-5067-0 fest geb. : EUR 15,40
Erzählungen 9-12 Jahre - Signatur: Ju 2 Willi - Buch