Phantastisch-realistischer Krimi, in dem Vertreter zweier Parallelwelten aufeinander treffen. "Zeig mir einen König!", riefdie Königin. "Zeig mir einen einzigen König auf der ganzen Welt, der für sein Volk täte, was du jetzt gerade tun willst! Andere Könige schicken ihreHeere und ihre Soldaten..." Ja, und so macht sich der schrullige König der Medlevinger selbst durch den Gang nach oben auf die Suche nach seinen in der Menschenwelt verschollenen Mitbürgern auf und trägt letztlich dazu bei,einen goldgierigen aber mit netter Fassade auftretenden Entführer und Erpresser unschädlich zu machen. Wie es zu diesem Showdown kommt, erzählt Boie in einer gelungenen Verschränkung zweier Erzählebenen: Zwei Kontrast-Gesellschaften - die Elfen- und Wichtel-Welt der Medlevinger und die Menschenwelt - treffen wieder nach Jahrhunderten aufeinander. In der "Ganz Alten Zeit" lebten sie ja friedlich zusammen. Aber Besitzgier und derMord Kains an Abel brachten sie auseinander und ihre gemeinsame Zeit wurde verdrängt. Die phantastischen Hauptfiguren sind Nis, ein 13-jähriger Medlevinger, der seinen Initiationsgeburtstag feiert und seine ihm zugesprochene Kraft in der Menschenwelt entdeckt, und die 11-jährige Moa, eine L-Fee, die zunächst gar nicht von ihrer Bestimmung zu schweben und zu summen begeistert ist. Beide dringen auf der Suche nach dem vermissten Vater in die Menschenwelt vor, erleben mit Staunen die menschlichen Errungenschaften, wie den "Sehkasten" oder die "Hin-und-her-Sprechmaschine", und involvieren den 12-jährigen menschlichen Protagonisten Johannes in eine turbulente Krimihandlung, in der es durch geschickte Verrätselung nicht an Spannung bis zuletzt mangelt. Eine Mobbing-Nebenhandlung - Johannes wird von drei Mitschülern bedroht - wird zunächst mit beklemmender Realistik erzählt. Und die Autorin erfüllt sicherlich einen Herzenswunsch der LeserInnen, wenn sie schließlich Johannes mit Hilfe des unsichtbaren Nis im Handumdrehen über die gemeinen Erpresser triumphieren lässt. Die soziale Situation der Erwachsenen im heutigen Hamburg ist überzeugend zeitgemäß (Wohnungsprobleme, Arbeitslosigkeit, Zusatzausbildung, Alleinerzieher ...). Die Charaktere der Geschichte und ihre Beziehungen sind überaus lebendig und gewinnend gestaltet. Vor allem die unterschiedlichen Sprachebenen der beiden Welten und der "fremde Blick" der Medlevinger auf die Errungenschaften der Menschenwelt sind nicht nur originell, sondern immer wieder mit kritischen Akzenten versehen: Nis nickte verwirrt. "Es ist alles so anders", sagte er unglücklich. "So riesig. Und so voll. Und so laut. Und so schnell." Ein rundum lesenswertes spannendes Buch, in dem es so nebenbei auch einiges Bedenkenswertes zu entdecken gibt.
Personen: Boie, Kirsten
Boie, Kirsten:
Die Medlevinger : ein fantastischer Krimi in vier Teilen / Kirsten Boie. Mit Vignetten von Volker Fredrich. - Hamburg : Oetinger, 2004. - 432 S. : Ill.
ISBN 978-3-7891-3155-4 fest geb. : Eur 13,90
Erzählungen 9-12 Jahre - Signatur: Ju 2 Boie - Buch