Donner und Doria – wir könnten uns inzwischen eigentlich daran gewöhnt haben, dass Stars und Sternchen wie Heidi Klum ihren Brüsten Namen geben (Hans und Franz), um ihnen ein Forum zu bieten und damit Aufmerksamkeit zu erheischen. Die gegenteilige Strategie beabsichtigt die sechzehnjährige Greer im Mädchenbuch „Meine Augen sind hier oben“ von Laura Zimmermann, die die Verwandlung ihres Körpers, d.h. die plötzliche Mutation ihrer Brüste, in besonderer Weise herausfordert. Alles, was für andere Mädchen normal erscheint – hübsche Kleider tragen, ins Schwimmbad gehen oder zur Massage –, für Greer ist das aufgrund ihrer Körbchengröße (F) ein nahezu nicht zu bewältigendes Problem, für das sie keine offene Ansprache findet und selber Lösungen finden muss. Ihre Leitstrategie: verbergen und verdecken – nicht nur ihre Brüste, sondern auch ihre geheimen Wünsche. Zum Beispiel das Volleyballspielen. Doch einfühlsamen Freundinnen und nicht zuletzt Jackson, dem Neuen an der Schule, gelingt es, Greer dazu zu ermutigen. Schritt für Schritt erkämpft sie sich einen Platz im Schulteam und kann ihre Mutter überreden, einen Wunder-BH zu bestellen, der ihr eine gewisse Freiheit verschafft. Als das Trikot dennoch nicht passt, wird dieses von verständnisvollen Händen rasch umgearbeitet, allerdings ohne zu wissen, dass das gegen die strengen Spielregeln verstößt … Mit solchen und ähnlichen Widerständen hat Greer in ihrem Alltag zu kämpfen und die Ich-Erzählerin meistert sie mit wachsendem Mut und einer großen Portion Selbstironie, die sich nicht nur darin zeigt, dass sie ihren Brüsten Namen gibt: „Und wer sind Donner und Doria? Das sind meine Brüste. Mein Busen. Hupen. Möpse. Holz vor der Hütte. Melonen. Boobs. Oberweite. Hanni & Nanni.“ Nur die Sache mit dem supersmarten Jackson, der sie offensichtlich mag, ist eine Herausforderung anderer Art: Greer ist intelligent, hat glänzende Noten und gehört nicht zu den Mädchen, die auf ihre weiblichen Reize stolz sind – im Gegenteil, sie schämt sich dafür und möchte verhindern, darauf reduziert zu werden. Ihr Plan: Liebesbeziehungen kommen für sie nicht in Frage, obwohl es ihr Jackson so leicht macht. Eine schmerzhafte Entscheidung, aber da hilft der Rat einer klugen, einfühlsamen Freundin und Jackson wäre nicht Jackson, diesen Bann nicht doch brechen zu können. „Meine Augen sind hier oben“ ist ein handlungsarmes Mädchenbuch, das auf humorvolle Weise ein schwerwiegendes Thema weiblicher Pubertät beleuchtet und hier den Fokus auf ein in der Gesellschaft ambivalent codiertes Phänomen setzt: die weibliche Brust. Gesellschaftlich stilisiert als Begierde männlicher Lust und Merkmal weiblicher Attraktivität, das bei nicht wenigen jungen Mädchen die Sehnsucht nach Brustvergrößerung schürt, weist dieses Buch nicht nur auf die körperliche Last und damit verbundene Probleme im Alltag hin, sondern auch auf die Gefahr einer damit einhergehenden Reduzierung zum Sexobjekt, der sich Greer durch XXL-Shirts und Entsagung zu entziehen sucht. Paradoxerweise ist der Text sehr brustlastig und macht es den Leser*innen nicht leicht, der Figur Greer in die Augen zu schauen. Und trotz dieser Fokussierung erscheint der Text zugleich keusch, ebenso wie die ansprechende Coverillustration, gestaltet mit einem Motiv der spanischen Graphikdesignerin Ana Hard. Man hatte sich in Bezug auf die Darstellung weiblichen Begehrens im Jugendbuch durchaus an mehr Offenheit und Klartext gewöhnt und findet hier dagegen viel Retro – vor allem in der angesichts der Sexualisierung der Öffentlichkeit latent durchscheinende Sehnsucht nach einem menschlichen Miteinander, das den inneren Werten vor äußeren Reizen den Vorrang einräumt. Ein neuer Trend nach altem Vorbild? Es bleibt spannend zu beobachten, ob sich diese Sehnsucht im Zusammenhang mit einer Privatisierung von Sexualität als neues Leitbild dieser Mädchengeneration etabliert und welche Auswirkungen das auf den Prozess der Gleichberechtigung und (sexuellen) Emanzipation haben wird, die Greer schließlich doch in Ansätzen erreicht.

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Personen: Zimmermann, Laura König, Barbara

Standort: Junge Erw.

Interessenkreis: Junge Erwachsene