Tod durch Schwerkraft. (TD.D) Was für eine Wohltat: Endlich wieder ein Hörkrimi, der vor Witz sprüht und so ganz ohne Kochrezepte selbsternannter Gourmets, ohne technolektgespickte Laborberichte oder maßlos übersteigerte Perversitäten auskommt! Nach dem durchschlagenden Erfolg ihrer beiden Erstlingswerke "Glennkill" (2005) und "Garou" (2010) verlässt sich die unter dem Pseudonym Leonie Swann schreibende deutsche Autorin auch in ihrem jüngsten Roman auf den Unterhaltungseffekt kriminalistisch tätiger Tiere. In "Gray" fällt diese Rolle aber nicht mehr einer Schafherde zu, sondern einem gelehrigen Graupapagei, der aufgeschnappte Äußerungen von Menschen im O-Ton wiederholen kann - ein Kunstgriff, mit dem Swann reale Erkenntnisse der amerikanischen Verhaltensforscherin Irene Pepperberg geschickt in plausible Fiktion kleidet. Die Äußerungen von Gray sind nämlich Teile eines Puzzles, die der "offizielle temporäre Halter" des grauen Papageis, der Cambridger Anthropologe Augustus Huff, im Lauf des Romans zum Ganzen eines gelösten Falls zu fügen vermag. Spannung bleibt dabei lang erhalten, denn erst spät wird klar, ob der Student Elliot, vormaliger und eigentlicher Besitzer des sprechenden Vogels und begeisterter Fassadenkletterer, vom Dach der King´s Chapel in die Tiefe gestürzt oder gestoßen worden ist. Genaugenommen hält die Spannung sogar über den Schluss hinaus: Erst beim zweiten Durchgang ist man nämlich in der Lage, alle sachdienlichen Äußerungen von Gray als solche zu deuten. Mit der Wahl des Schauplatzes und so manchem Seitenhieb auf angelsächsische Traditionen und blaublütige Konventionen - noblesse oblige - gemahnt Swanns Roman ein wenig an Agatha Christie. Und doch wirkt der von der gelernten Anglistin kenntnisreich gezeichnete Cambridger Mikrokosmos aus Gelehrten und Studierenden ob seines schelmischen Duktus erfrischend originell, exemplarisch etwa in der Charakterisierung von Huff als Ordnungs- und Reinlichkeitsfanatiker mit einer Phobie vor geraden Zahlen. In der leicht gekürzten Audiofassung des überwiegend aus personaler Perspektive erzählten Romantexts überzeugt auch der humorvolle bis leicht ironische Vortrag des hörbucherfahrenen Schauspielers Bjarne Mädel. Nicht ganz so gelungen dagegen die wenigen Passagen aus dem "Tagebuch eines Luftikus", weil Christopher Heisler darin als fassadenkletternder Student Lucas hörbar "steeerker" gegen deutsche Hochlautung ankämpft. Als Fazit bleibt dennoch die uneingeschränkte Empfehlung, die mp3-CD zweimal anzuhören.
Personen: Swann, Leonie
Swann
Swann, Leonie:
Gray. - München : Der Hörverl., 2017. - 1 MP3-CD (524 Min.)
ISBN 978-3-8445-2532-8 : EUR 10,29
Schöne Literatur - Hörbuch (CD, MC)