Erlebnisbericht eines Journalisten über seinen Aufenthalt im Exilort der Tibeter.
Rezension
Der Autor lässt uns teilhaben an seinen Erlebnissen und Gedanken während eines Aufenthalts in McLeodganj, einem Stadtteil von Dharamsala, dem Amtssitz des Dalai Lama. Es gibt hier ca. 30 Klöster, zwei davon, auch das des Dalai Lama, lernen wir durch die Augen des Autors genauer kennen, ärmlicher als er sie sich vorgestellt hat und in ihrer Schlichtheit Erinnerungen an seine DDR-Kindheit weckend.
Eine Audienz beim Dalai Lama selbst kam leider nicht zustande, da sich dieser einer Gallen-OP unterziehen musste (Oktober 2008).
Geschildert werden u.a. mehrere Bekanntschaften zu Mönchen - vom Kindermönch bis hin zu einer Begegnung mit einem Hochbetagten, den er regelmäßig wie zufällig an seinem Lieblingsplatz über den Dächern des Ortes trifft.
Kulle entwickelt sich während seines Aufenthalts von jemandem, der vor allem seinen Capuccino und ein gutes Essen in Rom vermisst - zu Beginn des Buches gibt ihm ein befreundeter Monsignore im Vatikan den Rat, nicht als Buddhist zurückzukommen - hin zu jemandem, der von sich sagt dort eine der interessantesten und schönsten Zeiten seines Lebens verbracht zu haben.
Eine Schwäche des Buches ist sicher der immer wieder etwas respektlose Umgang mit dieser fremden Welt. So werden die Mönche des Gelbmützenordens mit Schlümpfen verglichen, ein Heiligenschrein mutet an „wie eine überdimensionale Telefonzelle“ (S. 237) und einmal - auf einer Dachterrasse - versteigt sich Kulle zu folgender Mutmaßung: „Wenn man sich in die eine Ecke des Geländers stellt und in die nach unten abfallende Weite sieht, könnte man Leonardo DiCaprio spielen, wie er sich in dem Film „Titanic“ in die Bugreling stellt und mit großer Geste dem Ozean verkündet, er sei der König der Welt. Der Dalai Lama hat an seiner Residenz, die nur ein paar Meter entfernt liegt, ein ähnliches Geländer, das seine Terrasse umfängt. Dort könnte er das Gleiche tun.“ (S.284)
Neben dieser bestenfalls merkwürdigen Form von Humor, erfährt der Leser nur wenig sowohl über die eigentlichen religiösen Inhalte des Buddhismus als auch über das typisch Tibetische (wie heißen diese „tibetischen Alphörner“ und was genau ist Tsampa), wird allerdings konfrontiert mit einer ganzen Reihe despektierlicher Äußerungen aus eurozentristischer Sicht über den Alltag in Dharamsala.
Rezensent: Kathrin Wittenberg
Personen: Kulle, Stephan
Kulle, Stephan:
40 Tage im Kloster des Dalai Lama / Stephan Kulle. - Frankfurt am Main : Scherz, 2009. - 396 S. : Ill. ; 22 cm
ISBN 978-3-502-15098-5
Einzel- und Familienbiografien sowie Briefe und Tagebücher einzelner Personen aus allen Sachgebieten - Signatur: Bb - Bücher