Suche nach der eigenen Herkunft.
Rezension
Treichel führt mit dem neuen Erzählwerk die Themen der vorangegangenen Arbeiten "Der Verlorene" und "Menschenflug" weiter. Der Ich-Erzähler aus der ostwestfälischen Provinz will wissen, wer seine Eltern wirklich waren und ob oder wie sein Bruder am Kriegsende "verloren" ging. Nach Aufenthalt im hessischen Internat und Studium in Westberlin lebt er als Schriftsteller und Lehrender am LiteraturInstitut seit 13 Jahren in Leipzig und fährt nun (das bildet die Rahmenhandlung) mit der Eisenbahn nach Polen in eine kleine Siedlung im ehemaligen Wartheland, Anatolin, Herkunftsort der verstorbenen Mutter. Er erinnert sich an die Spurensuche nach dem (ebenfalls toten) Vater im ukrainischen Bryschtsche. Die Eltern sprachen nie über Kindheit und Jugend im Osten. Er und seine Brüder haben nicht danach gefragt. Auch er selbst glaubt sich an Kindheit nicht erinnern zu können, obgleich er zum Teil davon erzählt. Auch ein Gentest bringt keine Klarheit über den verlorenen Bruder, alles bleibt offen.
Das Spiel mit der "autobiografischen Entleerung" dient der Darstellung historischer und gegenwärtiger Beziehung zu unseren Nachbarn im Osten - das ist sehr empfehlenswert.Rezensent: Klaus Stiebert
Personen: Treichel, Hans-Ulrich
Treichel, Hans-Ulrich:
Anatolin : Roman / Hans-Ulrich Treichel. - 1. Aufl. - Frankfurt am Main : Suhrkamp, 2008. - 188 S. ; 21 cm
ISBN 978-3-518-41959-5
Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik - Signatur: SL - Bücher