Eine hervorragende Biografie über die weltberühmte schwedische Kinderbuchautorin Astrid Lindgren, verfasst von ihrer langjährigen Freundin.
Rezension
"Erinnert sie nicht immer mehr an einen Vogel, an einen leichten, zerbrechlichen Vogel, der ab und zu davon fliegt und eine leere hinterlässt, aber nur, um im nächsten Augenblick wiederzukehren, bereit zum singen?" Kaum ein besseres Bild hätte die Journalistin Margarte Strömstedt als Abschluss ihrer erstmals 2001 erschienenen Biografie von Astrid Lindgren wählen können, als dieses von der zierlichen "Dichterin der Kinder", die, wach wie eh und je, mit ihren über 90 Jahren noch tätig war. Mit Liebe, Geduld, Hartnäckigkeit und Freundschaft ist es Strömstedt nach eigenen Angaben gelungen, in Astrid Lindgrens literarisches Gesamtwerk und in dessen biografischen Hintergrund einzudringen. Daraus wurde ein wunderbares Lebensbild, hervorragend aus dem Schwedischen übersetzt von Brigitta Kircherer, und bei Oettinger verlegt, dem verlag, dem Astrid Lindgren seit Jahrzenten überaus freundschaftlich verbunden war. Den breitesten Raum nimmt ,wen wundertÆs, die Beschreibung von Astrids glücklicher Kindheit in Smaland ein. Die harmonische Landschaft und "all diese starken, munter rebellischen, angepassten, schlitzohrigen, verlassenen, schwachen und unglücklichen Gestalten" fanden, so weist die Biografin auf höchst erhellende und amüsante Art und Weise nach, im Primärwerk Astrid Lindgrens in Gestalt von Pippi, Michel (im schwedischen Original "Emil"), Madita, Lisa, Krümel Löwenherz, Ronja oder Karlsson Eingang. Doch woher, so fragt man sich, hat sie, die ihre Kindheit ausschließlich in hellen Farben beschreibt, ihre Dunkelheit, ihre Empörung, ihre Trauer, die sie bis heute nicht verlassen hat? Ganz feinfühlig spürt Strömstedt auch diesen tiefen Empfindungen von Verzweifelung nach, z.B. als Astrid mit 19 Jahren einen unehelichen Sohn bekommt, oder von verlust, als Lindgrens Ehemann im Jahre 1972 stirbt. Dabei lässt sie die Autorin immer wieder selbts zu wort kommen, sei es durch ihre Bücher, ihre Briefe, durch ihre Kommentare oder durch aussagekräftige Fotos. Astrid Lindgren, so das Credo der Biografin, hat die verbindung zur Welt nie verloren. Natürlich prägten die Erfahrungen des Erwachsenenlebens auch sie, aber die ursprüngliche Neugier, ihre Freude und Fantasie seien dadurch immer lebendig geblieben und deswegen umfasse Astrid Lindgrens literarisches Werk die meisten Genres und das gesamte Gefühlsregister. Man erfährt von Astrids Schlagfertigkeit, ihrer Lust am Schreiben, Formulieren und Erzählen, genauso wie von der Hartnäckigkeit, Sätze immer und immer wieder zu verändern, bis sie ihren hohen Erwartungen entsprechen. Die Geschichte, dass Astrid Lindgren bereits als Kind mit dem Verfassen von kleinen Geschichten begann, ihren großen Durchbruch - mit Pippi Langstrumpf, dem größten schwedischen Kinderbucherfolg aller Zeiten - aber erst mit 37 Jahren hatte, wird ebenso erzählt wie - in Auszügen - das Polit-Märchen "Pomperipossa in Monismanien", das die 69- Jährige schrieb, um auf soziale Ungerechtigkeiten im eigenen Land ausfmerksam zu machen. Astrid Lindgren führt ihre Leser in eine Welt, in der sie lachen und weinen, träumen und leben können. Sie bezaubert und verzaubert. Mit ihrem umfangreichen Werk erzieht sie, das beweist diese Biografie, behutsam aber nachdrücklich zu Toleranz und Verantwortung.
Margareta Strömstedt hat uns ein Lebensbild von Astrid Lindgren geschenkt, das weniger geprägt ist von Fakten und Jahreszahlen, dafür umso mehr zeugt von Verständnis, Empathie und einer tiefen Sehnsucht nach Frieden. Nicht nur die kleinen und großen Fans dieser überragenden schwedischen Schriftstellerin schulden ihr dafür tiefen Dank. (Ev. B. 01/2Rezensent: Martina Mattes
Personen: Strömstedt, Margareta
Strömstedt, Margareta:
Astrid Lindgren : Ein Lebensbild / Margareta Strömstedt. - Hamburg : Oetinger, 2012. - 382 S. : zahlr. Ill. ; 19 cm. - Aus d. Schwed.
ISBN 978-3-8415-0146-2 kt. : EUR 10.95
Lebensbilder, Briefe und Tagebücher einzelner Personen - Signatur: Bb Str - Buch