In Gedanken an ihren geliebten Mann, der an der Afrikafront kämpft, geht eine junge Frau durch Rom.
Rezension
Eine junge deutsche Frau geht im Januar 1943 hochschwanger durch Rom. Ihr Mann, der ihr viel von den „römischen Freuden“ geschrieben hatte, hat sie aus Deutschland zu sich geholt, nur um drei Tage später an die Afrikafront abkommandiert zu werden. Sie spricht die Landessprache nicht, ist unsicher. - Delius lässt den Leser diese Frau, die der Mutter des Autors nachempfunden ist, bei einem Spaziergang durch die „Ewige Stadt“ begleiten.Verschiedene Eindrücke rufen persönliche Erinnerungen bei ihr wach. Sie denkt an ihre Kindheit in einem lutherisch geprägten Elternhaus und an ihre Hoffnungen für das erwartete Kind. Was sie vor Wochen mit ihrem Mann in Rom zusammen gesehen hat, ruft Erinnerungen an ihre Liebesgeschichte wach. Gleichzeitig gesteht sie sich erstmals Zweifel am Sinn des Krieges ein und beginnt über einen Konfilkt zwischem ihrem Glauben und den ihr eingetrichterten nationalsozialistischen Lehren nachzudenken. - Erzählt wird die Geschichte in einem eigentümlich fließenden Stil. Nur Kommas und Absätze strukturieren den Text, der dem mit Brüchen und Einschüben verlaufenden Gedankenstrom der Frau folgt. Dies erzeugt beim Leser eine besondere Nähe zu der jungen Frau, die einerseits naiv und verwirrt wirkt, sich aber durch die Liebe zu ihrem Mann und ihrem Gottesglauben geführt weiß.
Eine Liebesgeschichte in schwieriger Zeit, eine sensibel gestaltete Entwicklungsgeschichte, ein ungewöhnlicher Blick auf die Stadt Rom - ein faszinierendes Buch, das in jeder Bücherei Leser finden sollte. - 06/534Rezensent: Birgit Schönfeld
Personen: Delius, Friedrich Christian
Delius, Friedrich Christian:
Bildnis der Mutter als junge Frau : Erzählung / Friedrich Christian Delius. - 1. Aufl. - Berlin : Rowohlt, 2006. - 126 S. ; 21 cm
ISBN 978-3-87134-556-2
Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik - Signatur: SL - Bücher