Das Leben ist kein Joghurt
Bücher

Warum steht eigentlich im Paradies ein Baum, von dem Adam und Eva nicht essen dürfen?


Rezension

Auf diese Frage kannte ich bis jetzt nur peinliche Antworten. Etwa diese: Gott hat ihn hinein gestellt, um die beiden ersten Menschen zu versuchen. Aber er wusste schon vorher, dass sie von ihm essen würden. Und dann hat er sie vertrieben. In dieser Erklärung sieht Gott nicht gut aus. Im Buch von Wladimir Kaminer und Kitty Kahane habe ich eine bessere Version gefunden.
Da gibt es nämlich einen Gott, der in einer Aschewelt lebt. Denn wohin alles zurückkehrt, da kommt auch alles her. Asche zu Asche, Staub zu Staub. Aber Gott wird die Asche zu langweilig, und er schafft Licht. Da sieht er erst, wie hässlich alles ist. Und einmal angefangen mit dem „Schöpfen“, kann Gott nicht mehr aufhören und verwandelt alles um sich her in blühende Landschaften. Dazu kommen viele verrückte Tiere wie die fliegenden Krokodile oder die Milchbären. Im Furor des Erschaffens dann entsteht auch der Baum der Erkenntnis.
Er hat Ähnlichkeiten mit Bertie Bott's Every Flavor Beans aus den Harry Potter Büchern. Jede Frucht schmeckt anders. Manche sind sogar gefährlich. Der Baum verhält sich so wie die Drogen, die sich aus Pflanzen und Pilzen der Erde gewinnen lassen. Er ist Teil der Kreativität der Schöpfung, aber enthält durchaus Risiken. Deshalb das Verbot. Nicht alles, was Gott gemacht habe, ist auf den Menschen zugeschnitten und ihm dienlich. Einiges ist sogar lebensgefährlich.
Adam hatte immer mit der Schlange spielen müssen, bevor er Eva bekam. Nun ist die Schlange allein und rächt sich, indem sie Eva austrickst. Eva kostet eine bunte Frucht und verliert darauf ihre Illusionen. Sie sieht, dass sie in einer Aschewelt mit einer Art Neandertaler zusammen lebt, der ihr eigentlich nicht gewachsen ist. Und so wird sie die erste Powerfrau und bekommt Lust, ihre Situation zu verändern. Als Gott anfängt zu schimpfen, hat sie schon längst beschlossen, den Garten zu verlassen. Und den Adam nimmt sie einfach mit. Der muss ihr dienen, so wie er früher Gott gedient hat. So entstand das Matriarchat.
Spätestens an dieser Stelle, vermute ich, beginnen sowohl der Leser, als auch die Leserin zu ahnen, dass es auch Nachteile haben könnte, die Geschichte von Adam und Eva einmal ganz anders zu erzählen. Im Furor der Erzählung passieren ebenso charmante und erhellende Umdeutungen wie auch solche, die der Geschichte einen Teil ihrer Weisheit und Tiefe nehmen. Adam wird geschaffen, um Gott die Arbeit abzunehmen. Diesen Gedanken hatte der biblische Schöpfungsbericht überwunden. In Babylon waren die Menschen geschaffen worden, um für die Götter die Bewässerungsanlagen zu bauen, damit die Götter ruhen konnten. Im Buch „Das Leben ist kein Joghurt“ muss Adam die Pinguine füttern und mit der Schlange spielen, damit Gott sich auch mal hinlegen kann, ohne dass die ganze Welt ihre Kraft verliert und aufhört zu leuchten. Überhaupt verhält sich Gott in diesem Kinderbuch wie ein Kind. In infantiler Selbstüberschätzung lässt er ein Wunder nach dem anderen geschehen, um jeweils festzustellen, dass alles anders läuft, als er es gedacht hat. Erst lässt er sich immer neue Sachen einfallen, um die ungeplanten Folgen wieder einzuholen. Dann hat er es satt und wirft seine Menschen aus dem Garten. Er hofft heimlich, dass sie wieder zurückkommen. Und wenn sie kommen, will er ganz streng mit Ihnen sein und sogar einen Engel vor die Tür stellen, damit sie nicht hinein kommen können. Aber die Menschen kehren nie zurück.

Damit ist das Bilderbuch zu Ende und bei Kant stehen geblieben, der den Auszug aus dem Paradies als ersten Schritt zur Mündigkeit versteht. Die biblische Geschichte war einmal erzählt worden, um zu erklären, warum die Welt bisweilen unter einem Fluch zu stehen scheint und warum es Hoffung gibt, dass sich das wieder ändert. Die Geschichte von Kaminer schildert Gott als infantilen Diktator und den Auszug von Eva (mit Adam im Schlepptau) als Befreiungsgeschichte.

Wer versucht, dem Buch gerecht zu werden, ist hin und her gerissen. Die wunderbaren Bilder von Kitty Kahane spielen kongenial mit den wuchernden Fantasien des Autors. Besonders überzeugend sind die sechs Bilder die das Buch eröffnen. Auf einer Seite sind hier lauter Ungerechtigkeiten aufgemalt. Die Giraffe frisst das Grün oben vom Baum. Die kleine Ziege unten geht leer aus. Der Fuchs hat eine Gans im Maul. Der große Walfisch frisst mit einem Happs den ganzen Schwarm Fische usw,

Dieser Zustand der Welt, ist genau der Grund, warum die Schöpfungsgeschichte erzählt wurde. Die Welt war gut gemeint. Etwas von der Schönheit und der Fabulierlust der geschaffenen Welt spiegelt dieses Buch wider. Aber es begnügt sich auch damit und verabschiedet den Gott, der sich verantwortungsvoll um seine Welt kümmert und seine Menschen nach wie vor liebt.

Im Gemeinde-Gesprächskreis werden sich manche Teilnehmer verwundert fragen, warum dieses Buch in einer christlichen Edition erschienen ist. Im April 2010 wurde es von der Akademie für Kinder- und Jugendliteratur zum Bilderbuch des Monats gekürt. Der Deutschlandfunk setzte es einen Monat später auf seine Bestenliste für junge Leser. Also ein gutes B

Rezensent: Frank Hiddemann


Personen: Kahane, Kitty Kaminer, Wladimir

Schlagwörter: Bibel Schöpfung Gottesbild

Interessenkreis: Mitteldruck

Das Leben ist kein Joghurt / Wladimir Kaminer. Ill. von Kitty Kahane. - Frankfurt am Main : Ed. Chrismon, 2010. - 31 S. : überw. Ill. ; 31 cm
ISBN 978-3-86921-025-4

Zugangsnummer: 27292
Christlicher Glaube, Religionen, religiöse Weltanschauungen - Signatur: Jc - Bücher