Ein Tagebuch als Briefroman über das Jahr 1990 in der DDR.
Rezension
Als teilnehmender Beobachter hat der westdeutsche Journalist Martin Gross das letzte Jahr der DDR in Dresden verbracht, Fragen gestellt, den bereitwillig über ihr Leben redenden Menschen aufmerksam zugehört und die Ergebnisse auf eine sehr anschauliche und äußerst gut lesbare Weise festgehalten. Die besondere Situation dieser Wendezeit wird sichtbar. Gross schildert ein Jahr des Dazwischens, eine Zeit der Umkehrung der Machtverhältnisse und der Umcodierung der gesellschaftlichen Werte. Weder die Ossis noch die Wessis wissen eigentlich genau, was werden wird. Vieles scheint möglich, wird diskutiert, geplant, verworfen, verschwindet unter dem Druck der Konsumwünsche und der Übermacht westlicher Marktstrukturen sowie der politischen Um- und Überformungen der Protestbewegungen. Die Ambivalenz der Parole "Wir sind ein Volk" wird sichtbar. Gross hält für 1990 fest, was zum Teil bis heute gilt: "Wir sprechen alle deutsch, aber nicht dieselbe Sprache."
Diese menschlich wie sachlich spannende Bestandsaufnahme des gesellschaftlichen Umbruchs hat bis heute nichts von ihrer Erklärungskraft verloren.Rezensent: Rüdiger Sareika
Personen: Gross, Martin Drißner, Hannes
Gross, Martin:
Das letzte Jahr : Aufzeichnungen aus einem ungültigen Jahr / Martin Gross. Gestaltung u. Satz: Hannes Drißner. - Neuaufl. - Leipzig : Spector Books, 2020. - 367 S. ; 21 cm
ISBN 978-3-95905-423-2 geb. : EUR 22.00
Lebensbilder, Briefe und Tagebücher einzelner Personen - Signatur: Bb Gro - Buch