Lebenserinnerungen eines Verwirrten.
Rezension
Auf 48 Seiten spiegelt die Deutsch-Amerikanerin Irene Dische ein ganzes Leben, das des Chemienobelpreisträgers. Der Doktor, inzwischen an Alzheimer erkrankt, wurde zu Anfang des 20. Jahrhunderts in der Ukraine geboren, zog später nach Wien, dann nach New York – nicht immer freiwillig, denn er ist Jude. Fast alle seine fetzenhaften Erinnerungen sind an Frauen geknüpft. Die wichtigsten sind seine Ex-Frau Gretel, die er auch nach der Scheidung oft besucht und nervt, seine Tochter, die er nur selten erkennt und – seine Gedanken beherrschend – seine Schwester Zescha, der er nie wie versprochen zur Flucht vor den Nazis verholfen hat. Nun ist der Doktor alt, gesteht das jedoch nur ungern ein. Seine Demenz ist so weit fortgeschritten, dass seine Tochter den Umzug in ein Altersheim arrangiert hat. - Der Doktor, Irene Disches Vater, schon aus dem Bestseller „Großmama packt aus“ (Ev. B. 06/374) bekannt, legt die Dinge nun aus seiner Sicht dar. Wieder erzählt die Autorin eindringlich, voller Emotionen, doch nicht sentimental und mit einer großen Portion (Sprach-)Witz. Das Ergebnis ist anrührend und sehr lesenswert – und ohne Kenntnis des o.g. Romans zu verstehen. (Die Erzählung wurde bereits 1990 bei Suhrkamp verlegt.)
Allen Büchereien sehr empfohlen.Rezensent: Kerstin Wohne
Personen: Dische, Irene Kaiser, Reinhard
Dische, Irene:
Der Doktor braucht ein Heim : Erzählung / Irene Dische. Dt. von Reinhard Kaiser. - 1. Aufl. - Hamburg : Hoffmann & Campe, 2007. - 45 S. ; 21 cm. -
ISBN 978-3-455-40084-7
Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik - Signatur: SL - Bücher