Claudius, Matthias
Der Mond ist aufgegangen
Bücher


Rezension

Zugegeben: Bücher, die ein durch Jahrhunderte lebendiges und geliebtes Gedicht durch Bilder erschließen, nehme ich nur mit einer gehörigen Portion Misstrauen in die Hand, vielleicht, weil ich mir meine eigenen Bilder im Kopf nicht zerstören lassen will. Und dann das, eines der schönsten Gedichte von Claudius und in der Vertonung von Johann Abraham Peter Schulz ein seit über 200 Jahren geliebtes Abendlied als Bilderbuch! Ich betrachte die Umschlagseiten: Blau- und Grüntöne, ein halber Mond, drei Kinder mit Kulleraugen und breitgezogenen Mündern, ein Hundekopf, na ja! Das Versprechen auf einen wahrhaft wunderbaren Augenschmaus auf der Rückseite bleibt erst einmal ungeprüft.

Ich schlage das Buch nicht auf, greife stattdessen zum Gesangbuch und spüre wie schon als Kind wieder die Wirkung der Verse, die Geborgenheit vermitteln, Angst nehmen, nachdenklich machen, und die uns voller Lebensklugheit auf das hinweisen, was über unser Leben und unseren Tod hinausführt. Lenken Bilder nicht ab vom Gehalt des Textes? Wie kann eine Illustration dieses Gedichtes aussehen, die nicht ein Abklatsch des Textes ist, sondern andere, über das Sprachliche hinausweisende Zugangsmöglichkeiten erschließt?

So langsam werde ich doch neugierig und beginne zu blättern. Zu Beginn das übliche Abendritual, Zähneputzen, vorlesen und ab ins Bett. Auf der nächsten Doppelseite sind die Kinder samt Hund aus dem Fenster geklettert. Sie gehen durch das Dorf, betrachten auf der Wiese liegend den Mond, schauen durch die Fenster in eine Fabrikhalle, besuchen die Großmutter und den offensichtlich kranken Großvater und schlafen zum Schluss alle drei zusammen im Bett der kleinen Schwester. Jacky Gleich erzählt mit sanft verwischten Farben und klaren Konturen die Geschichte eines nächtlichen Abenteuers, die, so scheint mir, wenig mit dem Gedichttext zu tun hat. Sie entgeht damit der Gefahr einer reinen Nacherzählung. Ich aber bin ratlos, blättere unschlüssig hin und her, suche eine Beziehung zwischen Bildern und Text, beginne noch einmal von vorn.

Die wache Neugier, die den Kindern in ihren Betten aus den Augen blitzt, überträgt sich jetzt auf mich. Und plötzlich sehe ich die als Kind für mich tröstliche Geborgenheit der „stillen Kammer“ im warmen Licht, das aus den Fenstern auf die Dorfstraße fällt, in den liebevoll einander zugewandten Menschen, in dem erleuchteten Kirchlein. Reizvolle Assoziationen stellen sich ein, etwa beim Betrachten des Bildes zur vierten Strophe. Wir sehen mit den Kindern durch die Fenster einer Halle, in der sich Monteure an drei riesigen Uhren zu schaffen machen. Messen, Planen, Einteilen, Organisieren, daraus besteht zu großen Teilen unser Leben. Aber wozu? Sind das „Luftgespinste“? Und die Lastwagenschlange im Hintergrund, die zielstrebig geradeaus fährt - der nächste Großmarkt ist sicher nicht das Ziel, das Claudius in seinem Text meint. Das Bild für die oft unterschlagene sechste Strophe, die den Tod anspricht, spiegelt mit warmen Farben und fröhlichen Gesichtern die Zuversicht und Glaubensgewissheit des Dichters und nimmt dem Tod das Bedrohliche. Zum Text der letzten Strophe liegen die Kinder, von ihrem nächtlichen Abenteuer zurückgekehrt, im Bett, und ich habe, durch die Bilder angeregt, eine neue, intensive Erfahrung mit Altvertrautem machen dürfen.

Die gleichnamige CD enthält, gesungen von Kindern und Erwachsenen, 15 tröstliche und entspannende Lieder, Lieder vom Wünschen und Träumen. Lieder, die die Erlebnisse des Tages noch einmal bedenken. Das Titellied wird leider nur mit den Strophen 1,2,3 und 7 gesungen. Das Booklet enthält die Liedertexte, leider stimmen beim Titellied gesungene und abgedruckte Strophen nicht überein.

Es ist sicher interessant, mit dem Buch im Religions- oder Konfirmandenunterricht zu arbeiten. Für kleinere Kinder braucht das Buch vermittelnde Erwachsene. - Die CD ist unabhängig vom Buch für Kinder ab 4 J. zu hören.

Rezensent: Heidrun Martini


Personen: Claudius, Matthias Gleich, Jacky

Schlagwörter: Lyrik Nacht

Interessenkreis: Mitteldruck

Claudius, Matthias:
Der Mond ist aufgegangen / Matthias Claudius. Ill. von Jacky Gleich. - Frankfurt am Main : Ed. Chrismon, 2007. - o.Pag.: überw. Ill. ; 22 cm
ISBN 978-3-938704-06-6

Zugangsnummer: 21516
Bilderbücher (einschl. Märchen- u. Sachbilderbücher) - Signatur: Jm 1 - Bücher