Hart, Maarten 't
Der Psalmenstreit Roman
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An einer neuen Singweise der Psalmen entzündet sich ein Aufstand der in Not geratenen Fischer und Netzflickerinnen gegen die wohlhabenden Bürger.


Rezension

Die Ereignisse um den geschilderten historischen Vorfall spielen im Ort Maassluis (heute ein Stadtteil Rotterdams) im 18. Jh. Die Handlung setzt ein, als Roemer Stroombreker, der Musik liebende Reederssohn, noch ein Kind, am 9. Oktober 1739 anlässlich der Feiern zum 100-jährigen Einweihungsfest der Groote Kerk zum ersten Mal nicht nur die Orgel hört, sondern neben Ventilhörnern, Fagotten und Pauken „sogar echte Streichinstrumente“: „die dunkelbraunen Violen und die geflammten Gamben“. Die Erzählzeit endet im Herbst des Jahres 1811, als der 81-jährige Reeder Stroombreker mit einer siebenköpfigen Delegation in Amsterdam den Kaiser Napoleon bitten soll, den verbotenen Fischfang von Heringen und Kabeljau in der Nordsee wieder zu erlauben, um eine drohende Hungersnot der Bevölkerung abzuwenden.
Zwischen diesen beiden Ereignissen (vom Autor im Nachwort mit Quellen historischen Materials gestützt) steht ein wichtiges Stück Geschichte der noch jungen Republik der Niederlande, geprägt vom Konflikt zwischen Arm und Reich und dem Statthalter (Wilhelm V.), von kriegerischen Auseinandersetzungen mit England und von lokalen Unruhen, wie dem Psalmenstreit, dessen Ursache letztlich keine kirchlichen oder musikalischen, sondern soziale Missstände waren.
Vor diesem Hintergrund wird von menschlichen Schicksalen erzählt, die auf eine für die Protagonisten oft undurchschaubare Weise mit den Ereignissen verknüpft sind. Im Zentrum steht das Leben Roemer Stroombekers, dessen Mutter dem Vermächtnis des verstorbenen Vaters gerecht werden wollte: „Zwei Schiffe mehr, du wirst Gott loben und preisen, du wirst der größte Reeder von Maassluis sein.“ Um die Heringsflotte auf das Doppelte zu vermehren, soll Roemer die ungeliebte Erbin Diderica Croockewerf heiraten. Sie überragt ihn um Kopfesgröße und sie riecht unangenehm nach Heilbutt. Roemer liebt eine andere: Anna Kortsweyl, die wunderbar nach Kalmusblättern duftet. Doch sie kommt als vaterlose Tochter eines Dienstmädchens nicht in Betracht. „Also schritt er, übrigens alles andere als wohlgemut, …. neben seiner riesigen Braut durch die Groote Kerk“.
Trost findet Roemer in der Musik; so als eines Tages „der Fürst der Organisten“ ein Gastspiel auf der Orgel gibt mit dem Herz anrührenden Choralvorspiel: „Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ“, komponiert „von einem Deutschen“. Anna ist mit einem Seemann auf Roemers Flotte verheiratet worden. Eines Tages treffen die Liebenden sich auf dem Deich; niemand erfährt danach, wer Annas Sohn Gilles wirklicher Vater ist.
Die Gemeinde der frommen Kirchgänger, die immer nach biblischen Grundsätzen zu leben sich bemühte, wird gespalten durch eine von außen eingeführte, „moderne“ neue Psalmensingweise. Doch viele sehen dies als „papistisch“ an und wollen an der alten, „lutherischen“ Art festhalten. Es kommt zu wütendem Streit und handgreiflichen Auseinandersetzungen. Der Vogt aus Den Haag lässt die Rädelsführer festsetzen und verurteilen. Unter den Verbannten ist auch Annas Sohn. Roemer ist inzwischen zum Bürgermeister von Maassluis gewählt worden. Er gilt als gerecht und ausgleichend. Ihn bittet Anna um Gnade für Gilles. Roemer möchte seinem Sohn die ganze Wahrheit gestehen und ihm helfen, aber Gilles schlägt ihn nieder und flieht.
Nach dem Tode Didericia hatte Roemer seine heimliche Liebe Anna nach deren Trennung von ihrem Mann als Haushälterin in sein Haus genommen, doch das späte Glück blieb überschattet von der Verbannung des Sohnes. - Die Gemeinde einigte sich nach dem langen Streit auf ein „mittleres“ Singen.

Der mitreißend erzählte historische Roman ist breit einsetzbar. Sein nur vermeintlich überholtes Thema, gemahnt an manchen aktuellen Konflikt, wenn wütende „Gläubige“ aus nichtigem Anlass ihre Religion beleidigt sehen und zuschlagen.

Rezensent: Klaus Stiebert


Personen: Hart, Maarten 't Seferens, Gregor

Schlagwörter: Glauben Fanatismus

Hart, Maarten 't:
Der Psalmenstreit : Roman / Maarten´t Hart. Dt. von Gregor Seferens. - 1. Aufl. - München : Piper, 2007. - 422 S. ; 21 cm. -
ISBN 978-3-492-04953-5

Zugangsnummer: 21888
Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik - Signatur: SL - Bücher