Eine junge Frau erlebt im Sommer 1910 die Befreiung aus dem engen Korsett der bürgerlichen Normen des Kaiserreichs.
Rezension
Clara ist vom frühen Tod ihrer Mutter traumatisiert. Sie meint, dem Vater die Frau ersetzen zu müssen, führt ihm den Haushalt, versäumt darüber ihre eigene Jugend und erstickt förmlich an den Konventionen ihrer Zeit. Der besorgte Vater schickt sie in ein Sanatorium in Dresden, wo sie mit moderaten Formen der Naturheilkunde erfolgreich behandelt wird. Aber erst ein junger Arzt vermittelt ihr per Psychotherapie den Schlüssel zur Befreiung von ihren Ängsten. Bei einem Ausflug an die Seen von Schloss Moritzburg begegnet sie zufällig den Künstlern der Brücke und findet in Ernst Ludwig Kirchner einen Menschen, der ihr in einer kurzen, heftigen Begegnung endgültig den Weg aus der Enge der gesellschaftlichen Normen weist, den sie dann sehr eigenständig weitergeht. Welche grausame Konsequenz die Ideologie der Zeit aber haben kann, machen die kurzen Berichte des Arztes über seinen Afrikaeinsatz in der Kolonialtruppe deutlich. Sein humanitäres Verhalten dort öffnet Clara eine weitere Tür zu ihm.
Eine leichtfüßig daherkommende Geschichte, die auf dem schmalen Grat von Liebe, Glück und Leid die gesellschaftlich relevanten Themen damals und heute erkennen lässt.Rezensent: Rüdiger Sareika
Personen: Günther, Ralf
Günther, Ralf:
Die Badende von Moritzburg : Eine Sommernovelle / Ralf Günther. - Reinbek : Kindler, 2017. - 104 S. ; 21 cm
ISBN 978-3-463-40686-2
Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik - Signatur: SL - Bücher