Eine höchstkomplexe Familiengeschichte auf nur etwas mehr als hundert Seiten zur Zeit des kommunistischen Regimes in Ungarn.
Rezension
Der sich taubstumm stellende Erzähler dieser tiefgründigen, wortgewaltigen wie wortkargen Familiengeschichte die gespickt ist mit literarischen Anspielungen, auf die der Autor in den Anmerkungen hinweist und so eine weite Dimension in die knappen, oft sprunghaft wechselnden Texte bringt. Die Familie ist als Volksfeind aus Budapest in ein abgelegenes Dorf umgesiedelt worden. Alle in einem Zimmer zusammengepfercht, verängstigt, entwurzelt. Das Spannungspotential ist enorm. Der Vater trinkt, die Mutter trauert um ihren von den Deutschen umgebrachten ersten Mann, vergöttert den Sohn aus dieser Ehe, ist besorgt um die Zukunftschancen des behinderten Zweitgeborenen. Doch wer nicht spricht, kann sich dennoch seine Gedanken über Gott und die Welt machen. Genau das tut der Chronist. Er registriert minutiös, wägt ab, analysiert und wehrt sich gegen Zurücksetzung und Ausgrenzung. Brutal, eiskalt und doch im Grunde nach Zuwendung, nach Halt und Sinn suchend in einer gottlosen Umgebung.
Ein nicht ganz einfach sich erschließender Text, souverän und voll Ironie für anspruchsvolle, literaturbegeisterte Leser und Esterhazy-Fans empfohlen.Rezensent: Halgard Kuhn
Personen: Esterhazy, Peter
Esterhazy, Peter:
Die Markus-Version : Einfache Geschichte Komma hundert Seiten. Roman / Péter Esterházy. Dt. von Heike Flemming. - München : Hanser Berlin, 2016. - 115 S. ; 21 cm. - Aus d. Ungar.
ISBN 978-3-446-25073-4 geb. : EUR 16.90
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