Wie wird ein aufrechter Büchermensch zum Reaktionär - oder zum Revoluzzer?
Rezension
Der Titel lässt einen Kriminalroman vermuten. Im Kern ist das Buch aber eine Hommage an alle Liebhaber des analogen Lesens von "Nickel-Cadmium freien Büchern aus Papier". Der Protagonist ist ein Dresdener Antiquar, der sein Leben dem Lesen und Sammeln von Büchern gewidmet hat. Der Fall der Mauer bedeutet den Werteverfall seiner Bücher und zwingt ihn zur Erwerbsarbeit im Niedriglohnsektor. Der finanziellen und privaten Abwärtsspirale über Scheidung, Verlust des Hauses seiner Eltern, Insolvenz und Tod seiner Mäzenin versucht er durch Beharrlichkeit, Sparsamkeit, moralischer Standfestigkeit und Abtauchen in seine Welt der Literatur entgegen zu arbeiten. Als alleinerziehender Vater findet er keine Zeit und keinen Kontakt zu seinem Sohn, der in rechtsradikale Kreise abdriftet. Mit dem Elbe-Hochwasser steigt auch seine Verbitterung über die Rahmenbedingungen, die ihm Unabhängigkeit und Eigensinn nicht erlauben. Spannend geschrieben mit viel Lokalkolorit und traurigem Ende.
Für eine literarisch und politisch interessierte Leserschaft.Rezensent: Stephan Bömelburg
Personen: Schulze, Ingo
Schulze, Ingo:
Die rechtschaffenen Mörder : Roman / Ingo Schulze. - Frankfurt am Main : S. Fischer, 2020. - 318 S. ; 21 cm
ISBN 978-3-10-390001-9 geb. : EUR 21.00
Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik, Sammlungen - Signatur: Schul - Buch