Fatah, Sherko
Ein weißes Land Roman
Bücher

Ein junger Iraker wird zum Spielball der Geschichte und während des Zweiten Weltkriegs Opfer und Täter.


Rezension

Der Roman wird als Rückblende erzählt. Nach etwas holprigem, langatmigem Start gewinnt der Roman an Tempo und schildert die abenteuerliche, halsbrecherische Lebensgeschichte Anwars. Im Bagdad der 1930er Jahre versucht der Straßenjunge Anwar, arm und wenig ge-bildet, jede sich ihm bietende Gelegenheit zu nutzen, um sozial aufzusteigen, um „Jemand“ zu sein. Von den Ereignissen getrieben, wird er zum Dieb und Mörder, lässt Freunde fallen, wenn er sich einen Vorteil davon verspricht. Im Gefolge des Großmuftis, der ein islamischer Geistlicher ist und als palästinensischer Nationalist im Nationalsozialismus einen politischen Verbündeten sieht, kommt Anwar nach Berlin. Als Muslim kämpft er schließlich im Dienste der Waffen-SS an der Ostfront. Entstellt kommt er aus dem Krieg zurück nach Bagdad. Sein Traum vom Aufstieg ist gescheitert. Anwar, dem es an Bildung und moralischem Rüstzeug fehlt, ist kein positiver Held, mit dem sich der Leser leicht identifizieren kann. Nationalismus und Antisemitismus werden von ihm nur als diffuse Zeichen der Zeit wahrgenommen, er bleibt ein orientierungslos Herumirrender.

Der Abenteuerroman, der weitgehend auf historischen Tatsachen beruht, regt zum Nachdenken über menschliche Schwächen und der möglichen Rolle des Einzelnen bei politisch-gesellschaftlichen Umbrüchen an. Auch eine ungewöhnliche Perspektive auf den Nahen Osten und das nationalsozialistische Deutschland. Für alle Büchereien.

Rezensent: Dieter Jeanrond


Personen: Fatah, Sherko

Schlagwörter: Irak Nationalsozialismus Diskriminierung

Fatah, Sherko:
Ein weißes Land : Roman / Sherko Fatah. - München : Luchterhand, 2011. - 477 S. ; 22 cm
ISBN 978-3-630-87371-8

Zugangsnummer: 29169
Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik - Signatur: SL - Bücher