Wie ein ehemaliger Ukrainer nach Jahren in Deutschland seine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft neu entdeckt.
Rezension
Dmitrij Kapitelman (der Protagonist trägt den selben Namen wie der Autor) muss nach Kiew zurück. Nicht dauerhaft, nur, um Dokumente zu holen, die er für die deutsche Staatsbürgerschaft braucht. In Deutschland lebt er schon lange, die Reise in die Ukraine nervt ihn zunächst. Und doch findet er in Kiew viel mehr, als er erwartet hat: Neben seinem Gang durch den Behördenwahnsinn beider Länder öffnen sich alte und neue Perspektiven auf die eigene Herkunft, auf das Leben der Eltern, auf innere und äußere Spuren der Vergangenheit. Als Dmitrijs Vater dann spontan ebenfalls nach Kiew hinterherreist, wird die Begegnung mit der eigenen Familiengeschichte noch intensiver. Der Autor stattet seinen gleichnamigen Ich-Erzähler mit einem besonderen Stil aus: Humorvoll, ironisch, aber doch tiefgehend und warmherzig, mit vielen beeindruckenden Sprachbildern und Wortakrobatik wird die Geschichte vom Fremdsein und Ankommen erzählt. Migration als herausfordernder Prozess wird spürbar, ohne zu deprimieren.
Dieser unscheinbare Roman sollte in keinem Büchereiregal fehlen. Unbedingter Lesetipp für Freund*innen realistischer Erzählungen.Rezensent: Marcel Lorenz
Personen: Kapitelman, Dmitrij
Kapitelman, Dmitrij:
Eine Formalie in Kiew / Dmitrij Kapitelman. - München : Hanser Berlin, 2021. - 175 S. ; 21 cm
ISBN 978-3-446-26937-8
Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik - Signatur: SL - Bücher