So witzig, lebendig und liebevoll kann über die Zeit im real existierenden Sozialismus in Prag geschrieben werden.
Rezension
Ohne Kitsch, oder Verklärung. Der Autor spürt mit Sprachwitz, Ironie und Liebe den Zusammenhängen von Geschichte und privatem Leben nach. Dabei kommt ihm zugute, dass er aus der großen Tradition osteuropäischen Judentums eine Erzählkunst geerbt hat, die eine Lust ist. Prag ist die Kulisse. Eine geliebte Stadt. Noch wichtiger aber sind all die Menschen, die in der kunstvoll und zugleich geschmacklos geteilten riesengroßen Wohnung in der Prager Altstadt unterkommen und ein Leben wagen, das halsbrecherisch kauzig und großzügig klug in einem ist. Bei all den zahlreichen Einzelheiten, die das Buch lang machen und die Geduld der Leserin manchmal strapazieren, glückt es Faktor wirklich genial, die Ereignisse der Weltpolitik ebenso einzubauen, wie sie - Schlemil mag Pate stehen ? - ins privat Unbedeutende und aus der Sicht des Heranwachsenden Rätselhafte zu verfremden. Es gelingt ihm so, die erschreckenden Ereignisse etwa des Prager Frühling 1968 ironisch und trotzdem realistisch abzubilden.
Auf der shortlist für den Deutschen Buchpreis 2010. - Ein Entwicklungsroman, sinnlich, humorvoll, offen und manchmal grotesk. Gern empfohlen.Rezensent: Christiane Thiel
Personen: Faktor, Jan
Faktor, Jan:
Georgs Sorgen um die Vergangenheit oder im Reich des Heiligen Hodensack-Bimbams von Prag : Roman / Jan Faktor. - 3. Aufl. - Köln : Kiepenheuer & Witsch, 2010. - 636 S. ; 21 cm
ISBN 978-3-462-04188-0 geb. : EUR 24.95
Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik, Sammlungen - Buch