Rezension
Begründung für die Nicht-Empfehlung zur Anschaffung in ev. Büchereien
Zum Text
Das Bilderbuch enthält 20 kurze Texte, die jeweils auf einer Doppelseite abgedruckt und farbig illustriert sind. Sie beziehen sich auf Stellen im AT und NT, in denen Tiere genannt werden. Die Vorgehensweise soll an einigen Beispielen untersucht werden.
Große und kleine Geschöpfe
So ist der Text überschrieben, der sich auf den priesterschriftlichen Schöpfungsmythos bezieht. Der umfangreiche Text wird auf wenige Sätze des fünften und sechsten Schöpfungstags verkürzt. Ohne Rücksicht auf den sehr knapp, fast wissenschaftlich orientiert verfassten Text wird dort, wo Tiere als Geschaffene kurz genannt werden, ausschweifend - wohl in der Annahme, den Text kindgerecht aufgearbeitet zu haben – von „schuppigen Fischen und schnappenden Krokodilen, gefiederten Flamingos und stolzen Pfauen..., flinken Eidechsen, wilden Tigern, schnaubenden Nilpferden, gemütlichen Kühen, runden Schweinen, gruseligen Kriechtieren, stillen Faultieren und gepunkteten Giraffen“ erzählt. Von Lob der Schöpfung und des Schöpfers – der eigentlichen Intention des biblischen Textes - ist nichts zu finden.
Viele Tiere auf einem Boot / Ein Rabe, eine Taube und ein Regenbogen
Gemeint ist die Kurzfassung der Sintflut-Geschichte. Auch hier wird der Text um der darin vorkommenden Tiere willen ausgewählt, die in die Arche „watschelten, trotteten, galoppierten, hüpften, sprangen, rutschten und krabbelten“. Über die Erzählabsicht dieser alttestamentlichen Sage, in welcher zwei unterschiedliche Quellentexte und Motive aus vorisraelitischer Zeit Eingang in die Bibel gefunden haben, um hier Jahwe als Strafenden und zugleich auch Rettenden darzustellen, wird kein Wort verloren, sondern „gurrend kam die Taube zurück...“
Die geduldigen Kamele
Die im Buch Genesis großartig angelegte Josefsgeschichte wird vollkommen unverständlich reduziert auf „Josef wusste, dass er in großen Schwierigkeiten steckte“, die er sich - anders als hier kurz mitgeteilt wird – durch sein Hervortun den Geschwistern gegenüber selbst eingehandelt hatte. Aber um korrekte Wiedergabe dieser zur Weltliteratur zählenden Geschichte geht es der Verfasserin des Bilderbuchs nicht, sondern nur um die Erwähnung der „geduldigen Kamele, die spukten, denn Sand wirbelte um sie herum...“
Insektenplage in Ägypten
Was Kinder auf der Seite 14 / 15 als „eine schöne Tiergeschichte“ (siehe Untertitel des Buches) ansprechen könnte, bleibt offen. Ein Gesamtzusammenhang ist nicht erkennbar, was wohl auch nicht beabsichtigt ist, weil auch hier die Bibel nur als Stichwortgeber benutzt wird nach dem Motto: Es kommen Tiere im Text vor.
Die hilfsbereiten Raben
Der Prophet Elias und seine schwere Aufgabe, Menschen vor Götzenglauben zu warnen und Gottes Strafe anzudrohen, verkürzt sich auf eine einzige Szene - wie könnte es anders sein - eine Tierszene: Raben bringen Elias Fleisch und Brot.
Der große Fisch, in dessen Bauch Jona verschwindet und wieder ausgespuckt wird, und natürlich Daniel in der Löwengrube dürfen – selbstverständlich in Kürzestfassung - nicht fehlen.
Ein Baby im Kuhstall
Auch neutestamentliche Texte fallen dem Auswahlkriterium Tier zum Opfer. Folglich beginnt Lukas 2 so: „Draußen hörte man das Geräusch von Zikaden. Drinnen schnupperten die Kälber im Stroh. Und Ochs und Esel kauten genüsslich das Stroh“.....
Die Schafe und der Engel
Die Verkündigungsszene wird ebenfalls tierisch zurechtgebogen: „Die Schafe schliefen auf den Hügeln in der Nähe von Bethlehem. Einige kuschelten sich aneinander. Andere blökten und versuchten, es sich für die Nacht gemütlich zu machen.“ Der Aufhänger Tier ist auch hier durch kleine Ausschmückungen geschafft.
Die Kamele und der Stern
Die Sterndeutergeschichte – Matthäus erzählt, um zu verdeutlichen: Auch Nicht-Israeliten erwarten den Erlöser – muss in diesem Tierbuch nun dazu herhalten, die Aufstehtechnik von Kamelen in den Mittelpunkt zu rücken.
Natürlich dürfen die Beispielgeschichte von den Spatzen und das Gleichnis vom verlorenen Schaf nicht fehlen, bis noch der Esel bei Jesu Einzug in Jerusalem zu Ehren kommt.
Der Titel dieses m.E. völlig überflüssigen Bilderbuchs verspricht etwas, das im Buch nicht eingelöst wird. „Zoo“ lockt Kinder und Erwachsene immer an. Aber wo ist „Gottes großer Zoo“ zu finden? „Die schönsten Tiergeschichten der Bibel“ kommen nicht vor, weil es weder im AT noch im NT diese Textgattung gibt! Man kann lediglich Texte finden, in denen u.a. auch Tiere vorkommen. Die Buchmacher jedoch werben außer im Titel auch auf der rückwärtigen Außenseite mit den „schönsten Tiergeschichten aus der Bibel, lebendig und lustig illustriert, so wie es Kinder lieben“, weil sie wissen: Tiere kommen gut an! Und so wird diesem verkaufsfördernden Motto folgend die Bibel als Steinbruch genutzt. Man wählt Teile aus alt- und neutestamentlichen Texten, in denen von Tieren am Rande die Rede ist. Man erzählt darüber ausschweifend unter Weglassung des Rahmens, der Intention, der Quellen, der Gattung und insbesondere der Ziele, um derentwillen diese uralten, literarisch höchst anspruchsvollen Glaubensaussagen überliefert sind. Werden Kinder auf diese Art und Weise sachgerecht und ernsthaft im Umgang mit der Bibel vertraut gemacht? Wohl kaum! Das Augenmerk wird auf Nebensächliches gelenkt. Das Wesentliche muss unverständlich bleiben, weil eine Fülle von Namen und Situationen auftauchen, die aus dem Zusammenhang gerissen und den Kindern noch unbekannt sind. Sie können die eigentliche Thematik nicht erkennen und entsprechend auch nicht verarbeiten. Sie müssen sie als scheinbar unwichtig und unverständlich beiseite lassen, statt zusammen mit einem sachkundigen Erwachsenen gemeinsam „am Text unterwegs“ zu sein und dann vielleicht das Verstandene (oder auch das noch Nicht-Verstandene) in eigener bildnerischer Gestaltung kindgemäß zu verarbeiten.
Zur Illustration
Hier werden – wenn auch größtenteils farbenfrohe – Illustrationen aufgepfropft, während Kinderbilder zur Bibel ganz andere Tiefendimensionen erreichen können. Wenn nun Illustratoren meinen, dennoch für Kinder in diesem Bereich malen und zeichnen zu müssen, so sei vor allem an deren Vorbildfunktion erinnert. Natürlich erwartet hier niemand ausschließlich naturalistische oder zeichenhafte, gar abstrakte Illustration, es sollte jedoch ein Mindestmaß an kunstpädagogisch relevanten Stilmitteln zur Anwendung kommen. Im vorliegenden Bilderbuch jedoch schwankt die Art der Darstellung zwischen andeutungsweise naturalistischer Darstellung und karikaturhafter Übertreibung, was wohl als „lustig“ verstanden werden soll, beispielsweise Vögel mit überdimensionierten Schnäbeln, Giraffen mit Köpfen, länger als ihr Körper oder Raben so bedrohlich groß wie der Rumpf des Elia. Auch die Darstellung des Menschen – zugegeben: ein schwieriges Kapitel – wirkt zum Teil unästhetisch und unproportioniert (Beispiel: Noah S. 8 mit riesigem eiförmigen Kopf, der mehr als ein Drittel der Gesamtgestalt einnimmt, tatsächlich beim Erwachsenen jedoch nur ein Siebtel ausmacht. Weil Kinder bisweilen so malen, z.B. Kopffüßler, muss ein Erwachsener dies nicht kindertümelnd nachahmen!)
Ein weiteres Beispiel sei angeführt: Die Hände eines Menschen reichen größenmäßig gesehen ungefähr vom Kinn bis zur Stirn. Die Darstellung der Hände auf den Seiten 8/17/19/21/23/25/39 spricht in ihrer Naivität für sich und wirft ein Licht auf die Fähigkeiten des Illustrators: Den zeichnerischen Könner erkennt der Fachmann in j e d e m Bild an der Gestaltung der Hand! Kindgemäßheit der Darstellung sieht anders aus.
Zur letzten Seite
Am Ende wird als Lese-Empfehlung eine Gegenüberstellung der sogenannten „Tiergeschichten“ mit den biblischen Quellen angeboten. Wer wird sie nutzen können? Die Textstellen-Angabe wirkt wie ein Feigenblatt: Das Bilderbuch hat biblischen Bezug und scheint deshalb wichtig zu sein!
Aus religions- und kunstpädagogischen Gründen wird die Anschaffung des Bilderbuchs für Ev. Büchereien nicht empfohlen!
Rezensent: Margot Rickers
Personen: Spookytooth, T.S. Schratz, Julia Lane, Leena
Gottes großer Zoo : Die schönsten Tiergeschichten aus der Bibel / Leena Lane. Ill. von T.S. Spookytooth. Dt. von Julia Schratz. - Innsbruck : Tyrolia, 2010. - 45 S. : überw. Ill. ; 26 cm. -
ISBN 978-3-7022-3076-0
Bilderbücher (einschl. Märchen- u. Sachbilderbücher) - Signatur: Jm 1 - Bücher