Aufgestört durch eine verlorene Bombe stellt sich eine Finkenschar existentielle Fragen nach Leben und Tod. Eine ironisch-absurde, 600 seitige Comicgeschichte als anregende Parabel.
Rezension
Der Alltag einer Finkenkolonie wird entscheidend verändert, als eine Militärmaschine eine Bombe verliert, die als Blindgänger einschlägt. In der Tradition der Fabel - doch ohne moralische Lehre - spielen die Vögel die "großen Fragen" der Menschheit durch, dramatisch gesteigert, als die Bombe explodiert und viele Vögel tötet. Es geht um Freundschaft und Liebe, um Glaube und Erkenntnis, um Tod und den Sinn des Lebens. Ein geistig behinderter Junge, dessen Großmutter stirbt und der so plötzlich auf sich gestellt ist, der Pilot des abgestürzten Flugzeuges sind Mitspieler wie auch wilde Hunde, bedrohliche Krähen oder eine weise Schlange. Die Fragen wie manche Anspielungen - so die Orpheus-Geschichte - sind durchaus vertraut, auch die Erzählhaltung - dennoch ziehen die kleinen Philosophen und ihr Nachdenken in ihren Bann. Sie zeigen, wie Fragen und Antwortversuche eng mit dem eigenen Horizont, eigenen Erfahrungen und entsprechenden Interpretationen verknüpft sind. So wird in Erfahrungsanalogie die Bombe als Ei interpretiert, das Flugzeug als großer Vogel, der aus dem Cockpit entkommene Pilot als Küken, um das man sich kümmern muss. Fehlinterpretationen, misslingende Kommunikation aber auch ein emsiges, ernstes Bestreben nach Erkenntnis bestimmen das Geschehen. 15 Jahre lang hat der Autor an der Geschichte gearbeitet, die zunächst jährlich 15seitig erschienen sind, jetzt als voluminöses Werk geduldige Anstrengung an den Rezipienten stellt. Man merkt die lange Entstehungszeit - am episodenhaften Charakter, an der stets sicherer und pointierter werdenden Entwicklung des linearen Zeichenstils. Die großen Fragen werden nicht adäquat beantwortet - es gibt Annäherungen. Und wie zahlreiche Episoden ganz auf Text verzichten und so den Betrachter als Interpreten besonders fordern, ist die ganze Parabel ein teilweise ironisch-absurdes aber auch sehr prägnantes denkprovokantes Werk, das das Fragen und seinen Kontext an sich als eigentliches Thema hat.
Die Parabel fordert ein engagiertes und zur Reflexion bereites Publikum. Auf ironische, witzige aber auch tragische Weise spiegelt sie Fragen, die wir kennen - zeigt Antwortversuche, die in ihrem jeweiligen Kontext verfangen sind und uns zeigen, dass auch unsere Konstrukte aus unserer Weltsicht gespeist sind. So banal wie richtig ist die SchlusserkRezensent: Dietrich Grünewald
Personen: Nilsen, Anders Brekhus
Nilsen, Anders Brekhus:
Grosse Fragen : Oder Asomatognosie: Wessen Hand ist das eigentlich? / Anders Brekhus Nilsen. Dt. von Tim Jung. - Zürich : Atrium, 2012. - 601 S. : überw. Ill. ; 24 cm. - Aus d. Amerikan.
ISBN 978-3-85535-562-4 geb. : EUR 39.95
Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik, Sammlungen - Buch