Hat Opa einen Anzug an?
Bücher

Fragen eines Kindes nach dem Tod. Erinnerungen als Hilfe, den Verlust eines geliebten Menschen zu verarbeiten. Etappen der Trauer.


Rezension

Bruno steht vor dem Sarg, in dem Opa in seinem feinen Anzug und den guten Schuhen liegt. Es sieht aus, als ob Opa schliefe, aber die „Kiste“ mit Opa wird auf dem Friedhof begraben. Bruno ist verwirrt, ratlos, wütend, traurig … In dem herausragenden Bilderbuch erlebt ein kleiner Junge erstmals den Tod, einen „normalen“ Tod, denn Opa war ein al¬ter Mensch, seine Kräfte waren verbraucht. Subtil und in lakonischem Stil erzählt Amelie Fried von den Etappen der Trauer eines Kindes im Ablauf eines Jahres. Dabei hat das Erinnern eine tröstende Funktion. Die gefühlstarken Bilder zu dem sehr guten Text zeigen leicht verfremdet, was real geschieht: Szenen aus Brunos Traueralltag. Derbe, dunkle Brauntöne, mit kräftigem Pinselstrich gemalt, sind dem ländlichen Ambiente gemäß und entsprechen gleichzeitig der bedrückten Stimmung Brunos. Die Farbtöne hellen auf, je mehr Brunos „Schmerz in der Brust“ nachlässt. Kaum noch Dunkel zeigt das vorletzte Bild mit Brunos fröhlichem Handstand vor Opas Grab. Jacky Gleich setzt den kleinen Kerl in eine riesige Welt. Bildachsen und Proportionen verschieben sich, Perspektiven wechseln. Mal reicht Bruno kaum bis zum Sargrand, mal hievt ihn jemand hoch, und er kann Opa in der Kiste liegen sehen. Die Erwachsenen mit den holzschnittartigen Gesichtern wirken anfangs bedrohlich und abschreckend. Zwischen den Riesen fällt der Winzling mit dem Mondgesicht kaum auf. Doch er ist das Zentrum. Jacky Gleich hat Bruno einen roten Haarschopf gemalt, und zweimal zeigt seine Jacke ein abgetöntes Rot. Signalfarben für Leben und die innere Stärke des Jungen.
Bruno stellt viele Fragen: Was ist Tod? Kann Opa mich sehen? Was ist, wenn ich vergesse, wie Opa aussieht? Wo ist Opa jetzt? Die Großen, selber traurig, unsicher, hilflos, antworten oft floskelhaft, deutlich bemüht, dem Kind gegenüber die Realität des Todes abzuschwächen. Bei „Seele“ findet Bruno selbst die entscheidende Antwort: Sie „ist das, was ich an Opa lieb habe“.
Ungewöhnlich, aber nicht befremdlich ist der Humor in einem Buch von Tod und Endlichkeit. Bruno nimmt die Reden der Erwachsenen wörtlich. Das wirkt oft komisch und spaßig. Er selbst hat eine Antenne dafür, dass es neben großer Traurigkeit gleichzeitig andere Lebensregungen gibt. Trotz seiner Bedrücktheit muss er am Beerdigungstag lachen, als einer der Männer mit seinem frisch geputzten Trachtenschuh in eine Pfütze patscht.
Das Buch ist fern jeder Sentimentalität. Es zeigt, wie ein Kind seinen eigenen Weg des Abschied¬nehmens und Trauerns findet und dazu Zeit braucht.

Kinder ab 5 – 6 J., junge Eltern, Pädagogen.

Rezensent: Irmgard Schmidt-Wieck


Personen: Fried, Amelie Gleich, Jacky

Schlagwörter: Tod Trauer

Interessenkreis: Großdruck

Hat Opa einen Anzug an? - 1. Aufl. - München : Hanser, 1997. - [30] S. : überw. Ill. ; 23 x 30 cm
ISBN 978-3-446-19076-4

Zugangsnummer: 10271
Bilderbücher (einschl. Märchen- u. Sachbilderbücher) - Signatur: Jm 1 - Bücher