Die Geschichte der Entführung der neunjährigen Rachel durch einen pädophilen Mann, der sie eine Woche gefangen hält, ihr aber sonst nichts antut.
Rezension
Ron, Mechaniker, Sammler alter Staubsauger, fährt immer wieder zu Schulhöfen, um kleine Mädchen zu beobachten. Er verliebt sich in die 9-jährige Rachel, die allein mit ihrer Mutter lebt und wegen ihrer Schönheit die Blicke der Männer auf sich zieht. Ron richtet in seinem Keller liebevoll ein Mädchenzimmer für sie ein, entführt sie und sperrt sie dort ein. Er lässt Rachel glauben, dass sie von Sklavenjägern bedroht ist und er sie vor diesen schützen will. So gewinnt er ihr Zutrauen. Seine Freundin Nancy, die gerne ein Kind hätte, bringt er dazu ihn zu unterstützen, doch diese nimmt heimlich Kontakt zu Rachels verzweifelter Mutter auf, als sie merkt, dass Ron sich sexuell zu Rachel hingezogen fühlt. Acht Tage wird Rachel festgehalten, dann lässt er sie wieder frei. Zu keinem Zeitpunkt gibt er seinen Sehnsüchten nach, wendet sich Rachel vielmehr väterlich umsorgend zu. - Dieser Roman ist kein Entführungsreißer, vielmehr geht es der Autorin um die Psychologie eines Täters, der seiner Neigung ausgeliefert ist, sie aber mit allen Kräften zu beherrschen versucht, um das geliebte Mädchen nicht zu verletzen. Der Leser wird mit den Gefühlen aller beteiligten Personen konfrontiert und empfindet ein Wechselbad an Sympathien. Die Angst Rons vor sich selbst, seiner fehlgeleiteten Liebe schildert die Autorin sehr eindrücklich, ebenso aber auch die Qualen der verzweifelten Mutter, die Ängste Rachels und die Zweifel Nancys. Ein packender, beängstigender Stoff, ein gespenstisches Szenario mit einem happy end für Rachel und ihre Mutter, aber einem traurigen Ende für Ron und Nancy, denn, nachdem er Rachel frei gelassen hat, nimmt er sich das Leben. Mit sehr feinem Gespür und viel Empathie zeigt uns die Autorin, was im Kopf eines Menschen vor sich gehen könnte, der selbst Missbrauchsopfer war und nun gegen seinen unheilvollen Drang ankämpfen muss.
Sehr spannend geschrieben und lesenswert wegen des besonderen Einfühlungsvermögens dieser Schriftstellerin in Menschen in extremen Situationen.Rezensent: Marlies Selbach-Götting
Personen: Gowdy, Barbara Becker, Ulrike
Gowdy, Barbara:
Hilflos : Roman / Barbara Gowdy. Dt. von Ulrike Becker. - 1. Aufl. - München : Antje Kunstmann, 2007. - 335 S. ; 21 cm. -
ISBN 978-3-88897-462-5
Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik - Signatur: SL - Bücher