Rothmann, Ralf
Im Frühling sterben Roman
Bücher

Eindringlicher Roman über die traumatischen Kriegserlebnisse des 1945 zwangsverpflichteten 17jährigen Vaters des Autors.


Rezension

Der Vater redet wenig, schon gar nicht über seine Kriegserlebnisse, und dieses weitverbreitete Schweigen der Väter belastet und beunruhigt die Nachkriegsgeneration. Es fehlt der Schlüssel zum inneren Wesen der traumatisiert heimgekehrten Männer. Die Struktur des Romans macht das deutlich. Unvermittelt hebt er an, keine Kapiteleinteilung, es ist wegen des Fehlens von verläßlichen Fakten eher ein nahezu essayistisches Nachsinnen über das, was geschehen sein muß, oder könnte. Sicher scheint lediglich, dass der Vater - Rothmann nennt ihn im Roman Walter Urban und stellt so dichterische Distanz her - in ein Erschießungskommando befohlen wurde, das seinen besten Freund Fiete wegen Desertation hinrichtete. Alle so schrecklichen Einzelheiten des erlebten Krieges werden in beklemmenden Bildern gezeigt, deren unmittelbare Wirkung nicht erklärt wird. Im Epilog, einziges formales Strukturelement, ist selbst das Grab der Eltern nicht mehr auffindbar. Alles war "noch einmal stiller". (Empfehlungsliste zum Evangelischen Buchpreis 2016.)

Die dichterische Imagination füllt die Faktenleere mit bildlich hergestellter Wahrhaftigkeit. Für Leser, die sich die Zeit nehmen, dem emotionalen Gehalt der Bilder nach zu spüren.

Rezensent: Hans-Wolfgang Schaller


Personen: Rothmann, Ralf

Schlagwörter: Vater 2. Weltkrieg Trauma Spurensuche

Rothmann, Ralf:
Im Frühling sterben : Roman / Ralf Rothmann. - Berlin : Suhrkamp, 2015. - 233 S. ; 21 cm
ISBN 978-3-518-42475-9

Zugangsnummer: 34423
Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik - Signatur: SL - Bücher