Gedichte auf dem Fundament der christlichen Welt- und Menschenbetrachtung.
Rezension
Die schweizerische Theologin Eva Tobler führt ihre Leserinnen durch das vertraute Kirchenjahr und setzt mit Überschriften wie Advent, Passion, Ostern und Pfingsten die Schwerpunkte ihrer Lyrik. Gleichzeitig geht sie aber weit über diese Botschaften hinaus, bettet sie in einen modernen Alltag ein, distanziert sich von althergebrachten Sinngebungen mit ganz eigenwilligen Assoziationen. „judas kuss alltag“ lautet die knappe Zeile, die sensible Leser aufhorchen lässt und Gewissenserforschung anmahnt. Die Enthauptung von Johannes dem Täufer führt direkt in unser Heute und in den globalen Zustand der Welt: „jetzt sind es viele / keiner kennt sie / gefoltert umgebracht / ihre organe verkauft / ihre namen getilgt/ herr erbarme dich“. Fehlende Großschreibung und fehlende Satzzeichen, schnelle Rhythmik geben dem knappen Wortlaut die Form des Stoßgebetes. Nur die Natur gewährt Trost, Glück und Beruhigung: „im tal / äugt die holunderblüte/ in mein zimmer/ zartweiss wirbt sie / für die fülle der zeit“.
Dieser kleine Band, mit den Zeichnungen der Autorin versehen, eignet sich für alle nachdenklichen Leserinnen, auch ohne Erfahrung mit moderner Lyrik.Rezensent: Barbara von Korff-Schmising
Personen: Tobler, Eva
Tobler, Eva:
In der Rinne der Zeit : Gedichte zum Kirchenjahr / Eva Tobler. - Zürich : TVZ, 2023. - 98 S. : Ill. ; 20 cm
ISBN 978-3-290-18551-0
Christlicher Glaube, Religionen, religiöse Weltanschauungen - Signatur: C - Bücher