Kürzeste persönliche Notizen, formuliert im quälenden Zustand der Schlaflosigkeit.
Rezension
Erinnerungen, Gewissensbisse, Verfehlungen suchen den alternden Mann heim, der entweder vergeblich den Schlaf ersehnt, oder sich vergeblich gegen die „allmächtige Flut des Schlafes“ stemmt. Gedanken zwischen Wachen, Schlafen und Träumen drehen sich oft um Worte und die Dinge, die sie bezeichnen, unbewusste Assoziationen eines Mannes und Schriftstellers, der sein Leben lang mit Sprache umgegangen ist. Mit seiner Phantasie ist Ivo Andrić niemals dort, wo er sich wirklich gerade aufhält. Im Konzert versetzt er sich unter wirbelnde Schneeflocken an einer Straßenkreuzung. Liegt er im Bett, wandert sein Geist durch die armen, verkommenen Viertel in Belgrad. Ihn quälen der Verlust junger Lebens- und Liebesfreude und der Niedergang von Geist und Körper. Ivo Andrić, noch in der K. u. K. Monarchie geboren und als Diplomat für das alte Jugoslawien tätig, erhielt 1961 den Nobelpreis für Literatur. Diese intimen Tagebuchaufzeichnungen sind posthum übersetzt und veröffentlicht worden.
Diese „Nachtgedanken“ werden eher ältere Leser berühren, die die Erfahrungen des Autors teilen und sich mit der teils ironischen Distanz, dem „lange her“, identifizieren können.Rezensent: Barbara von Korff-Schmising
Personen: Andrić, Ivo Martens, Michael
Andrić, Ivo:
Insomnia - Nachtgedanken / Ivo Andrić. Hg., dt. und mit einem Nachwort versehen von Michael Mertens. - Wien : Zsolnay, 2020. - 185 S. ; 19 cm. -
ISBN 978-3-552-05973-3
Einzel- und Familienbiografien sowie Briefe und Tagebücher einzelner Personen aus allen Sachgebieten - Signatur: Bb - Bücher