Ein Blick in die Seele ostdeutscher Intellektueller und ein Roman über die neuere deutsche Geschichte im ganz Privaten.
Rezension
Kapok kehrt aus dem freiwilligen Exil, in das er nach der Wende als überflüssig gewordener Professor für Marxismus-Leninismus verschwunden war, in sein Elternhaus zurück. Es ist Teil einer Zwischenkriegssiedlung in Ostberlin, in der sich nicht nur die Häuser aus den zwanziger Jahren nahezu unverändert erhalten haben, sondern auch die Bewohnenden ein seit Jahrzehnten identisches soziokulturelles Biotop bilden. Barbara und Claudia Schaechter sind ungefähr in seinem Alter und schon immer die Töchter der intellektuellen Nachbarn, denen nachgesagt wird, sie seien Juden. In sprachlich bis ins Schmerzhafte ausgeformter Weise verweben sich Gegenwart und verschiedene Vergangenheiten: Antisemitismus in Wien und Brünn, Verfolgung und Flucht, politisches Engagement für den Kommunismus und seine degenerierte und pervertierte sozialistische Form des Stalinismus. Lebenswege voller Irrungen. Manche Szene hat mich so bewegt, dass ich das Buch weglegen musste. Ach, die hintergründigen Wahrheiten!
Für geschichtsinteressierte Lesende und Literaturgottesdienste empfohlen.Rezensent: Christiane Thiel
Personen: Schmidt, Kathrin
Schmidt, Kathrin:
Kapoks Schwestern : Roman / Kathrin Schmidt. - Köln : Kiepenheuer & Witsch, 2016. - 442 S. ; 21 cm
ISBN 978-3-462-04924-4
Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik - Signatur: SL - Bücher