Graphic Novel über das Gefühlschaos von Vater und Sohn nach dem Tod der Mutter. Überforderung und Trauma durch den Selbstmord des Vaters
Rezension
Nach dem Tod seiner Mutter lebt der siebenjähri¬ge Thomas bei Verwandten, weil sein Vater wegen Realitätsverlust in eine psychiatrische Klinik eingeliefert wurde. Der Junge versteht noch nicht, was Sterben meint und entflieht vorübergehend in Tagträume und Phantasiewelten. Thomas will den Vater beschützen und versucht Verantwortung für ihn zu übernehmen. Er sucht und findet den Vater in der Klinik. Doch im Beisein von Thomas nimmt der Vater sich kurz darauf das Leben. Vor dem Freitod spricht der Vater über seine Mitschuld am Sterben der Mutter und es kommt dabei zu einem tragischen Geschehen: Der Vater überträgt mit seinem Verhalten die eigenen quälenden Schuldgefühle auf den kleinen Sohn. In tiefem Schmerz bleibt Thomas fassungslos zurück und erzählt seine Geschichte im Rückblick als Erwachsener.
Realität und Fiktion wie auch die verschiedenen Zeiten, Perspektivwechsel und Bilder, die in Teile zerfallen, vermischen sich in dieser komplexen Geschichte und machen ein mehrmaliges Lesen notwendig. Berührend sind die rückblickenden Beschreibungen der Vorstellungen und Empfindungen des zurückgebliebenen Siebenjährigen. Die offensichtliche Hilflosigkeit im Umgang mit trauernden Menschen – hier das Verhalten der Lehrerin und der Verwandten gegenüber dem Jungen, aber auch des Arztes gegenüber dem Vater – reflektieren den Umgang mit trauernden Menschen in unserer Kultur. Äußerst treffend werden schwer sagbare schmerzliche Gefühle nach einem Todeserleben – wie die Sehnsucht, die Leere und das Nichtwahrhaben um den endgültigen Verlust eines geliebten Menschen – aus der Sicht eines Kindes und eines Erwachsenen bildhaft und sprachlich dargestellt. Bilder und Text ergänzen einander, wobei die Bilder häufig mehr erzählen als die Sprache zulässt. Die Bilder sind mit wenigen, kindlich einfachen Strichen gemalt. Als Hintergrund dienen meist einfarbige Flächen. Bildliche Einfachheit und klare Strukturen helfen, sich auf das Wesentliche des Inhalts zu konzentrieren. Manche Bildmotive erzählen von innerpsychischen Vorgängen, z. B. die Löwenmaske – ein Geschenk der Mutter –, die der kleine Thomas auf vielen Bildern trägt, oder das angebissene Sandwich, das Thomas nach dem Tod des Vaters findet. Minimalistische bildhafte Veränderungen werden bedeutungsvoll, wie etwa die Unterscheidung von Brillen mit undurchsichtigen oder durchsichtigen Gläsern, wodurch angeregt werden kann, über die psychische Verfassung der jeweilig dargestellten Person nachzudenken.
Rezensent: Barbara Cramer
Serie / Reihe: Dark Horse Comics
Personen: Hornschemeier, Paul Althoff, Gerlinde
Hornschemeier, Paul:
Komm zurück, Mutter : Mit einer Einführung von Thomas Tennant / Paul Hornschemeier. Dt. von Gerlinde Althoff. - 1. Aufl. - Hamburg : Carlsen, 2007. - O. Pag. : Überw. Ill. ; 25 cm - (Dark Horse Comics). -
ISBN 978-3-551-74877-5
Erzählungen (ab 13 Jahre) - Signatur: Ju 3 - Bücher