Satirischer Roman über Holocaust, Museen und Erinnerungskultur.
Rezension
Das Holocaust Museum in Washington DC ist nicht nur ein Museum, sondern auch eine sehr bewegende Gedenkstätte und ein Ort der Trauer. Glaubt man dem satirischen Roman von Tova Reich ist es aber auch eine riesige Maschinerie des Geldes, die den Gedenkbusiness florieren lässt und das Patent auf den Holocaust offensiv verteidigt. Die Misere beginnt als Nechama, die Enkelin des Direktors des Holocaust Memorial Center, die Christen zu den neuen Juden erklärt und kurzerhand in ein Kloster der Karmeliterinnen eintritt. Doch sie ist nicht die Einzige, die den Holocaust für sich einzunehmen versucht. Andenkenhändler, New Age Gurus, Tierschützer und schlichtweg Verrückte verkünden ihr eigenes Holocaust-Gedenken oder unternehmen befremdliche Rettungsversuche für die Seelen der ermordeten Juden. Maurice und seine Mitarbeiter vom Memorial Center versuchen alles, das Recht auf ‚ihren Holocaust’ und die Spendermillionen zu verteidigen, bis schließlich ihr ganzes Museum von einer extremistischen Gruppe besetzt wird. - Reichs Roman ist witzig und kontrovers zugleich, überzogen und doch real. Während manche Passagen einem Essay über die Kommerzialisierung der Erinnerungskultur gleichen, bietet sie an anderer Stelle Slapstick und Groteske.
Das Ergebnis ist unterhaltsam, extrem scharf beobachtet und gibt Anstöße zum ernsten Nachdenken. Diese Gratwanderung ist wunderbar gelungen, wenn auch in der Übersetzung etwas von Reichs Wortwitz verloren geht.Rezensent: Nils Hanwahr
Personen: Reich, Tova Morawetz, Silvia
Reich, Tova:
Mein Holocaust : Roman / Tova Reich. Dt. von Silvia Morawetz. - 1. Aufl. - München : Dt. Verl.-Anst., 2008. - 331 S. ; 21 cm. -
ISBN 978-3-421-04369-6
Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik - Signatur: SL - Bücher