Kurzgeschichten, die den Alltag in der gegenwärtigen Türkei schildern, aus der Perspektive eines entschiedenen Regierungskritikers.
Rezension
Der frühere Co-Vorsitzende der Erdogan-kritischen HDP schrieb im Gefängnis Kurzgeschichten, die Schlaglichter auf die Türkei werfen. Meist sind sie realistisch, wie etwa ‘Seher‘ um ein Mädchen, das von ihrem Bruder ermordet wird, nachdem sie von einem Bekannten vergewaltigt wurde. In ‘Nazan, die Putzfrau‘ gerät eine Unbeteiligte in eine Demonstration, wird zusammengeschlagen und eingesperrt. Manchmal wechseln die Geschichten ins Fantastische, etwa in ‘Die Meerjungfrau‘ um eine Mutter und ihre Tochter, die auf der Flucht ertrinken. In der mit 20 Seiten längsten Erzählung ‘Unendlich einsam‘ erfährt eine beruflich erfolgreiche Architektin erst nach dem Tode ihres Vaters, dass dieser unter Pseudonym lebenskluge Romane schrieb, die sie beeindruckten.
Insgesamt eine Sammlung ansprechender Kurzgeschichten, die einiges über die Schattenseiten der heutigen Türkei, aber auch über den gewitzten Widerstand gegen die Repression vermitteln. Der schlichte, gut verständliche Stil erleichtert Lesern das Verständnis, die wenig über die Türkei wissen.
Rezensent: Peter Bräunlein
Personen: Demirtaş, Selahattin Meier, Gerhard
Demirtaş, Selahattin:
Morgengrauen : Storys / Selahattin Demirtaş. Dt. von Gerhard Meier. - München : Penguin, 2018. - 141 S. ; 21 cm. -
ISBN 978-3-328-60061-9
Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik - Signatur: SL - Bücher