1945. Flucht vor den Sowjets. Ein Mädchen wird sich des Reichtums, der Widersprüche und des Endes ihrer Jugend bewusst.
Rezension
In einem langen, aber sehr dynamischen Atemzug erzählt Christa Wolf die Geschichte ihrer Flucht. An einem frühen Januarmorgen weckt ihre geliebte Mutter sie und ihren Bruder mit den Worten: „Ihr müsst Euch fertig machen.“ Sofort ist ihr klar, dass es diesmal kein Fliegeralarm ist, sondern der Aufbruch in eine völlig ungewisse Zukunft. In die letzten Vorbereitungen drängen sich die Bilder ihrer Kindheit und Jugend, die nun mit fast 16 Jahren ein jähes Ende finden. Aus dem Stakkato der Erinnerungen ergeben sich die ersten Kindheitsmuster, aus denen für Christa W. und den Leser deutlich wird, was diese Person und diese Zeit geprägt hat: Der verlorene 1. Weltkrieg, die scheinbare Sicherheit der 1930er Jahre und die Irritationen durch den Nationalsozialismus, denen man sich nur durch kleine und große Lügen entziehen konnte. Der „Nachruf“ endet auf dem vereisten Weg zu den Selower Höhen. Eine halbe Lüge der Protagonistin rettet einem Wehrmachtsangehörigen das Leben.
1971 geschrieben, jetzt erstmals veröffentlicht, ist der Text ein Schlüssel für den 1976 erschienenen Roman „Kindheitsmuster“ und ein faszinierender Einblick in Menschheitsthemen.Rezensent: Rüdiger Sareika
Personen: Wolf, Gerhard Wolf, Christa
Wolf, Christa:
Nachruf auf Lebende : Die Flucht. Erzählung / Christa Wolf. Mit einem Nachwort von Gerhard Wolf. - Berlin : Suhrkamp, 2014. - 105 S. ; 19 cm
ISBN 978-3-518-46506-6
Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik - Signatur: SL - Bücher