Ein Bahnarbeiter erlebt die deprimierende Realität und das Ende der Sowjetunion.
Rezension
Der Titel lässt eine spannende oder romantische Story erwarten. Doch der Nachtzug in der bereits 1993 im Original erschienenen Geschichte des russischen Autors (Jahrgang 1954) ist eher ein unheimliches technisches Monster. Jede Nacht fährt er durch die Neunte Ausweichstelle, eine unbedeutende Station irgendwo in der Sowjetunion. Die wenigen Anwohner haben die einzige Aufgabe, die Strecke für den Zug in Betrieb zu halten. Sie wissen nicht, was er transportiert. Möglicherweise Gulag-Gefangene? Das Leben in der Siedlung ist in jeder Hinsicht negativ. Buida schildert es lakonisch - mit Zeitsprüngen - als real gewordene Dystopie in einem von Zentralismus, Militär und Wodka beherrschten Staat. Der Alltag ist ohne Freude, der Sex brutal-mechanisch, die Kinder werden tot geboren. Aus christlicher Perspektive werden die Akteure dadurch interessant, was ihnen fehlt. Geht es doch um eine völlig gottlose Gesellschaft, wie es auch Schriftstellerin Julia Franck im lesenswerten Nachwort formuliert.
Ein gut komponiertes Werk für Leserinnen und Leser, die Interesse an Literatur über totalitäre Systeme haben.Rezensent: Tobias Behnen
Personen: Buida, Juri Franck, Julia Braungardt, Ganna-Maria
Buida, Juri:
Nulluhrzug : Roman / Juri Buida. Dt. von Ganna-Maria Braungardt. Mit einem Nachwort von Julia Franck. - Berlin : Aufbau, 2020. - 142 S. ; 20 cm. -
ISBN 978-3-351-03785-7
Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik - Signatur: SL - Bücher