Drvenkar, Zoran
Paula und die Leichtigkeit des Seins
Bücher

Paula leidet unter ihrem Übergewicht, bis ihr Onkel Hiram einen fantastischen Weg zeigt.


Rezension

Manchmal bin ich neidisch auf Schriftsteller, auf ihre Omnipotenz im Reich der Worte. Sie haben die Macht, Probleme zu lösen, die Welt schön zu schreiben, nicht nur im Traum, sondern in der Realität - ihrer Fiktion. Der Neid überfiel mich, als ich Paula und die Leichtigkeit des Seins las. Drvenkar widmet sich hier einem Thema, das als Problem durch die Presse und Ratgeberbücher unserer Zeit geistert: das Übergewicht unserer Sprösslinge. Ein schwergewichtiges Thema? Weit gefehlt, unter der Hand von Zoran Drvenkar wird Paulas Geschichte vom Dicksein ein Spaziergang voller Poesie, Charme und Fantastik.
Der Erzähler redet nicht drum herum: „Paula ist zu dick.“ lautet der erste Satz der Geschichte. Paula hat es nicht leicht. „Manchmal glaubt sie, dass der Boden sie bei jedem Schritt schwerer macht.“ Sogar im Wasser versinkt sie wie ein Stein. Ihre Geschwister sind alle schlank. Ihr Vater wirft sie nicht mehr in die Luft, weil er davon Rückenschmerzen bekommt. So ist es nicht verwunderlich, dass Paula am liebsten verschwinden würde. Im Sommer legt sie sich in das hohe Gras, im Herbst lässt sie sich von den Blättern bedecken, im Winter von den Schneeflocken. Im Frühjahr aber kommt Onkel Hiram. Zuerst versteckt sie sich vor ihm, denn er sah sie zum letzten Mal vor zwei Jahren, als sie noch schlank war. Sie hat Angst vor seiner Reaktion. Aber Onkel Hiram ist der einzige, dem ihre Körperfülle nichts auszumachen scheint. Er nimmt sie auf den Arm, geht mit ihr in den Garten und ... wirft sie in die Luft, wo Paula für den Rest ihrer Tage bleiben wird. Hoch in der Luft ist sie gewichtslos, sie hat alles, was sie braucht, und so lästige Dinge, wie zum Klo gehen oder sich waschen, sind auf einmal nicht mehr nötig. Mit Essen und Büchern versorgt sie die Familie. Die Vögel halten sie im Winter warm. Paula geht es rundherum gut. Nur ein bisschen einsam ist es in der luftigen Höhe. Aber auch hierfür weiß Zoran Drvenkar Rat: Er schickt Paula eine bunte Schar dicker Kinder aus aller Welt, die in ihr luftiges Reich mit einziehen.
Bewundernswert ist die Knappheit der Sprache, die gewürzt wird durch sparsam gesetzte Metaphern. An Formulierungen wie „der Herbst rennt wie ein junger Hund übers Land“ darf sich der Leser immer wieder erfreuen. Die Geschichte wurde von Peter Schössow illustriert und von Bloomsbury ansprechend gefasst. Der Text ist wie ein Gedicht gesetzt, und der schmale Band hebt sich durch seine Zweifarbigkeit in orange und blau, kleine grafische Details und natürlich die Bilder von Peter Schössow von der Masse ab. Stilistisch bilden Schössow und Drvenkar eine homogene Einheit. In ihrer Sparsamkeit sind sie sich ähnlich, und dort, wo Schössow überzeichnet, ist Drvenkar sachlich und zurückhaltend. Die Poesie des Textes wird nicht durch süße Bilder überzuckert. Besonders das Abschlussbild mit den fliegenden dicken Kindern setzt den Titel kongenial in Szene: die Leichtigkeit des Seins.

Wenn ich mal den Neid beiseite schiebe, der mich angesichts der vielen Problemkinder in meiner Umgebung erfasst, die alle noch auf einen Onkel Hiram warten, dann bleibt bei der Lektüre eine Anmutung, ein Hauch von Leichtigkeit. Ab 9 J.

Rezensent: Stephanie Jentgens


Personen: Drvenkar, Zoran Schössow, Peter

Schlagwörter: Außenseiter Kindheit Körper

Interessenkreis: Mitteldruck

Drvenkar, Zoran:
Paula und die Leichtigkeit des Seins / Zoran Drvenkar. Ill. von Peter Schössow. - 1. Aufl. - Berlin : Bloomsbury, 2007. - 83 S.: Ill. ; 21 cm
ISBN 978-3-8270-5196-7

Zugangsnummer: 21737
Signatur: Ju 2/1 - Bücher