Der Exodus der kulturellen Elite des deutschen Reiches ist Gegenstand dieses historisch nicht immer verbürgten, aber – vor allem am traurigen Sujet gemessen – dafür äußerst vergnüglichen Hörbuchs.
Rezension
Franz Werfel ist so verkatert, dass er sich am liebsten bei Heinrich Mann erkundigen würde, ob das Besäufnis zu seinem 50. Geburtstag tatsächlich stattgefunden hat. Seine zänkische Frau Alma erstreitet den Transport von sage und schreibe zwölf Koffern über die Pyrenäen zur Passage mit der „Nea Hellas“ nach Amerika. Glücklich an Bord nörgelt Alma am Essen, am Ambiente und am Personal herum, ergeht sich in antisemitischen Tiraden und giftet die Mitreisenden an, während sich Heinrich Mann die Zeit wahlweise mit dem Zeichnen nackter Frauen mit großen Brüsten oder an der Bar zusammen mit Bruder Golo und Franz Werfel vertreibt.
Im kalifornischen Exil angekommen, ändert sich an der Ich-Bezogenheit und eitlen Selbstbespiegelung der Exilanten nur wenig. Da begegnen Thomas Mann und Bertold Brecht, Lion Feuchtwanger und Hanns Eisler der ihnen fremden und fremd bleibenden Neuen Welt, indem sie ganz im alten Europa verhaftet bleiben. Von ihren Lebens- und Schaffensquellen abgeschnitten, geben sie sich den Banalitäten und Marotten hin, von denen Michael Lentz wunderbar ironisch erzählt.
„Pazifik Exil“ ist ein sprachlich brillantes, von ihm selbst ausgelassen-heiter gelesener Roman, der geistreich und witzig ein sehr unkonventionelles Bild der deutschen Kulturelite im amerikanischen Exil zeichnet.
Rezensent: Birgit Lautenbach
Personen: Lentz, Michael
Lentz, Michael:
Pazifik Exil : Autorenlesung / Michael Lentz. Gelesen vom Autor. - Düsseldorf : Patmos, 2007. - 3 CDs ; 245 Min.
ISBN 978-3-491-91252-6
Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik - Signatur: SL - Hörbücher