Bildroman über Kindheit und Jugend einer Iranerin.
Rezension
Der Titel ist Programm, verweist Persepolis doch auf die große achämenidische Anlage, deren Baubeginn im 6. Jh. v. Chr. liegt und die Zeugnis ablegt von der bedeutenden kulturell-künstlerischen Tradition des Iran. Hier steht Persepolis für den Iran schlechthin; der subtile Verweis kennzeichnet die Intention der Autorin, der es vor allem darauf ankommt, die vorwiegend durch Medienberichte geprägten klischeehaften Vorstellungen der Europäer vom Iran zu relativieren. So erzählen die Bände nicht nur das individuelle Leben der Autorin, sondern binden es ein in eine Vielfalt von Informationen und Reflexionen, die ein differenzierteres Bild zeigen. Band eins schildert die Zeit von 1979 bis 1984, den Beginn der Revolution gegen das Regime des Schahs, die die kleine Marjane im Alter von 10 Jahren miterlebt, die Entwicklung der islamischen Republik mit ihren einschneidenden Eingriffen, auch in das Alltags- und Privatleben, den Krieg Irak – Iran. 1984 schicken die Eltern Marjane nach Wien auf eine französische Schule. Band zwei berichtet vom vierjährigen Aufenthalt in Österreich, der Rückkehr der nun jungen Frau nach Teheran und dem Beginn ihres Studiums. Er endet mit dem Jahr 1994, in dem die Kunststudentin ihr Heimatland endgültig verließ, um in Frankreich weiter zu studieren und zu leben.
Satrapi entstammt einer gebildeten, liberalen Mittelstandsfamilie. Sie erzählt im ersten Band aus der Perspektive eines Kindes, das – noch ohne die größerem Zusammenhänge verstehen zu können – in den vielfältigen Reaktionen des Alltags und den Auswirkungen auch auf ihren Familien- und Freundeskreis erlebt, wie sich das Leben, wie sich Normen und Werte im Verlauf der sich verfestigenden islamistischen Gesellschaft ändern. Wir erfahren von rigorosen Repressalien, von Verhaftungen, von Hinrichtungen, von Heuchelei und Fanatismus – aber auch von mutigen Versuchen der Gegenwehr, von kleinen heimlichen Freiheiten, verbotenen Festen und Solidarität. Der zweite Band entspricht in Erzählung und Reflexion der Sicht der sich entwickelnden Jugendlichen, schließlich der jungen Frau, und es gelingt der Autorin, das subjektive Erleben stets in den größeren Zusammenhang einzubinden. So wird ihre persönliche Geschichte zum Exemplum, bietet ein recht umfassendes kritisches sozial- und kulturgeschichtliches Bild der iranischen wie auch der westlichen Gesellschaft weit über den Unterhaltungswert hinaus. Dabei erzählt sie weder moralisierend noch verbittert; bei allem Schrecklichen, das sie erlebt hat, kommt auch der Humor nicht zu kurz.
Rezensent: Dietrich Grünewald
Serie / Reihe: Band 2
Personen: Satrapi, Marjane
Satrapi, Marjane:
Persepolis : Jugendjahre / Marjane Satrapi. - 1. Aufl. - Zürich : Ed. Moderne, 2005. - 191 S.: überw. Ill. ; 23 cm - (Band 2)
ISBN 978-3-8000-5192-2
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