Daston, Lorraine
Regeln - Eine kurze Geschichte
Bücher

Lorraine Daston beschreibt anhand von hist. Beispielen und Phasen aus Europa die Abdankung des Vorbilds und die Karriere des Algorithmus im Streit gegen Chaos und Willkür.


Rezension

Daston unterscheidet drei Gruppen von Regeln: 1. Werkzeuge zum Messen und Berechnen, 2. Vorbilder, Modelle, Paradigmen, 3. Gesetze. Regeln können 1. füllig oder schlank formuliert, 2.flexibel oder starr anwendbar, 3. allgemein oder spezifisch in ihrer Geltung sein. Vorbilder vermitteln zwischen Einzelfall und Universalien, wie z. B. Schönheit. Ziel ist nicht Nachahmung des Vorbilds, sondern Gestaltung nach Ermessenspielraum. Diese Bedeutung der Regel nimmt seit der Aufklärung ab. Seitdem macht der eindeutige und starre Algorithmus Karriere. Daston führt aus, wie ungeregelte Verhältnisse geordnet und diszipliniert werden: Paris ordnet das städtische Leben, Arbeitsprozessen an mechanischen Rechenmaschinen werden kleinteilig zerlegt, Naturrecht und Naturgesetze führen zur Vorstellung von universell geltenden Gesetzen. Die Ausnahme von der Regel – ehedem nur einem Staatsoberhaupt zugebilligt – wird abgeschafft. Hinter dem Kürzel „Moderne“ steht der Gedanke: Alles ist regelbar und wird geregelt – aber eben ohne Rücksicht auf vielfältige Einzelfälle. Jedes Online Formular ist ein Beispiel. Daston hat einen feinen Blick für Entwicklungslinien, sie schreibt mit feiner Ironie. Peinlich genaue Regeleinhaltung ist „Dienst nach Vorschrift“ - hier wird es dann pathologisch.

Wer sich für Geschichte und Gegenwart interessiert, um die Welt und sich besser zu verstehen, findet am anspruchsvollen Thema und der hellsichtigen Gedankenführung Freude.

Rezensent: Martin Schulz


Personen: Daston, Lorraine Bischoff, Michael

Schlagwörter: Regel Gesetz Paradigma Algorithmus

Daston, Lorraine:
Regeln - Eine kurze Geschichte / Lorraine Daston. Dt. von Michael Bischoff. - Berlin : Suhrkamp, 2023. - 432 S. : Ill. ; 22 cm. -
ISBN 978-3-518-58804-8

Zugangsnummer: 46206
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