Lebens- und Selbstfindungsgeschichte einer eigenwilligen Frauenfigur im England des 20. Jahrhunderts.
Rezension
Als Sechsjährige kommt Polly Flint 1904 zu den zurückgezogen lebenden, frommen Schwestern ihrer verstorbenen Mutter ins Haus am Meer. Da hat sie schon einige chaotische Pflegefamilien hinter sich, denn ihr Vater ist Seemann und kann sich nicht um sie kümmern. Sie besucht keine Schule, sondern wird zu Hause in Deutsch und Französisch unterrichtet. Ihr eigentlicher Lernort ist jedoch die Bibliothek ihres Großvaters und dort vor allem Defoes Roman „Robinson Crusoe“, den sie wieder und wieder liest und der für sie zum Begleiter in allen Lebenslagen wird. Auch sie fühlt sich wie Robinson auf seiner einsamen Insel - „er ist so wie Frauen fast immer sein müssen: auf einer Insel. Festgesetzt. Eingesperrt.“ Polly erlebt zwei Weltkriege, Industrialisierung, Umweltzerstörung, Antisemitismus, Klassendünkel, Abschiede, Liebe, Enttäuschung und gerät schließlich in eine Depression. Fast wird sie zur schrulligen Eigenbrötlerin mit Hang zum Alkohol, doch „Robinson“ wird schließlich ihre Rettung. Sie übersetzt den Text ins Deutsche und Französische und beginnt, ein Buch über ihn zu schreiben. Am Ende findet sie doch noch ihre Bestimmung und den Weg zu sich selbst. All dies erzählt Gardam mit feiner Ironie und dem ihr eigenen trockenen britischen Humor. Leslie Malton liest das Hörbuch mit subtilem Einfühlungsvermögen nuancenreich und unterhaltsam.
Das Hörbuch wird allen Fans der „Old Filth“-Trilogie von Gardam ein Hörvergnügen sein, aber auch Interessentinnen an Geschichten über Frauenemanzipation im 20. Jh. ist es sehr zu empfehlen.Rezensent: Doris von Eltz
Personen: Gardam, Jane Bogdan, Isabel Malton, Leslie
Gardam, Jane:
Robinsons Tochter : Ungekürzte Lesung / Jane Gardam. Dt. von Isabel Bogdan. Gelesen von Leslie Malton. - Hamburg : Hörbuch Hamburg, 2020. - 8 CDs ; 556 Min. -
ISBN 978-3-95713-221-5
Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik - Signatur: SL - Hörbücher