Als erfahrener Lehrer räsoniert Autor Daniel Pennac über die Schule und ihre Probleme, den Blick dabei fest auf die schwachen Schüler gerichtet.
Rezension
Daniel Pennac, bekannt als Autor französischer Kinderbücher sowie Krimis, hat selbst lange Jahre als Lehrer gearbeitet. Vorher war er nach eigenem Bekunden ein sogenannter Cancre, ein Schüler, der die Schule nicht gradlinig durchläuft, sondern sich seitwärts bewegt und nur langsam vorankommt. Diese Erfahrungen hat Pennac nicht vergessen. In seinem Buch blickt er zurück auf sein Leben als Schüler wie als Lehrer, auf gelungene wie misslungene Begegnungen. Die Ursachen, die den Cancre zu einem schlechten Schüler machen, sind vielfältig. Der mangelnde Schulerfolg ist die Folge von Einsamkeit, Unsicherheit und Ängsten, gleichzeitig verstärkt er in einem Teufelskreis das Phänomen. An vielen Beispielen aus seinem Leben macht Pennac deutlich, wie es Lehrern gelingen kann, die Scham der schlechten Schüler abzubauen, ihre Blockierungen zu lösen und den magischen Glauben an das eigene Unvermögen zu untergraben. Pennac fordert ganzheitlich engagierte Lehrerinnen und Lehrer, die von der Sache, die sie unterrichten, selbst begeistert sind und diese Begeisterung Schülern - nicht nur den angepassten guten Schülern - vermitteln. Das Buch ist ein Plädoyer für ein angstfreies Miteinander von Jugendlichen und Erwachsenen. Die Schüler, die er vor Augen hat, leben in den französischen Vorstädten, haben vielfach einen Migrationshintergrund, erleben Arbeitslosigkeit und Armut hautnah. Ihre Sprache ist derb, ihre Wünsche und Sehnsüchte sind ihnen von der Werbung vorgegeben. Lehrer, die mit diesen Schülern umgehen, müssen ganz bei Null anfangen. Sie dürfen nicht ihr eigenes Wissen gegen das Nichtwissen der Schüler ausspielen. Sie müssen diese Kinder und Jugendlichen lieben, die sie in einer wichtigen Entwicklungsphase begleiten. Der Autor liefert keine Rezepte für Lehrer oder Eltern. Er analysiert, festgemacht am französischen Schulsystem, die Rolle von Jugendlichen in der Gesellschaft. Wenn dies auch nicht eins zu eins übertragbar ist auf deutsche Verhältnisse, so enthalten die locker aufgereihten, mit Beispielen angereicherten Gedanken viel Nachdenkenswertes.
Eine Lektüre über das Umgehen von Jugendlichen und Erwachsenen miteinander, die zum Nachdenken, teilweise auch zum Widerspruch anregt, nicht nur für Lehrer und Eltern empfohlen.Rezensent: Birgit Schönfeld
Personen: Pennac, Daniel
Pennac, Daniel:
Schulkummer / Daniel Pennac. Dt. von Eveline Passet. - Köln : Kiepenheuer & Witsch, 2009. - 288 S. ; 21 cm. - Aus d. Franz.
ISBN 978-3-462-04072-2 geb. : EUR 18.95
Buch