Das Buch umfasst neben Vor- und Nachwort 11 fiktive kurze Geschichten aus dem Alltagsgeschehen Jugendlicher und eingeschobene Gebete sowie meditative Texte.
Rezension
Die einzelnen Texte befassen sich mit Themen wie Verlust von Freundschaft durch Umzug, Enttäuschung wegen Fehleinschätzung einer sportlichen Leistung, übertriebenes Karrierdenken und -handeln, aber auch Engagement für Kinder, Jugendliche und Alleinstehende. Diese Geschichten erinnern ein wenig an säkulare Kontexte zu biblischen Geschichten in älteren religionspädagogischen Konzepten. Allerdings sind sie im Jugend-Jargon, angereichert durch Anglizismen, abgefasst und zwar nicht nur in der wörtlichen Rede, sondern auch im Erzähltext (Beispiele: „perplex aus der Wäsche gucken“, „keinen Bock auf Small Talk haben“, „Freak“, „Look“, „stinkig“, „ein paar Troubles“, „die Message ist angekommen“, „voll krasse Aufnahme“). Hinzu kommen Vulgärausdrücke aus dem Fäkalbereich. Der für ein Jugendbuch fragwürdige Stil soll wohl den Eindruck vermitteln, am „Puls der Zeit“ (Werbung auf dem Buchumschlag) zu partizipieren. In nahezu allen Texten spielen Handy und andere Kommunikationsmittel eine zentrale Rolle. In der Regel wird eine Alltagssituation, wie sie unter Jugendlichen vielleicht vorkommen kann, zum Problemfall hochstilisiert, gegen Ende jedoch zeichnet sich meistens ein gewisser vorgegebener Erkenntnisgewinn ab, der dann durch ein Gebet oder meditative Sätze bekräftigt wird. Diese eingeschobenen Textbausteine wirken sprachlich und inhaltlich wie Fremdkörper, wie pastorale Nutzanwendung, die oft gar nicht den Kern der oberflächlichen Histörchen trifft. Ein Beispiel mag das verdeutlichen:
Lara verfolgt Carina heimlich beobachtend, fällt dabei von der Fensterbank und braucht ein Pflaster für ihr blutendes Knie. Bei dieser Spionieraktion entdeckt Lara, dass Carina sich um eine alte Dame kümmert. Lara fühlt sich beschämt. Die angehängten Einschübe zu dieser Begebenheit:
„Neuaufbau
Auch wenn mein Leben plötzlich
nur noch ein riesiger Scherbenhaufen ist,
ich nur noch Fragen und keine Antworten mehr habe,
kann ich mich darauf verlassen,
dass Gott zusammen mit mir
aus allen Scherben ein neues Kunstwerk baut.
Genau hinhören, bitte!
Antworten auf die Frage nach dem Sinn
gibt uns Gott nicht via Lautsprecher oder Sternbilder,
wer ganz genau hinsieht, ganz genau hinhört,
entdeckt manchmal mitten im stillen Wald,
am menschenleeren Strand,
oder beim Blick aus dem Zugfenster,
was Sinn macht.“ (Seite 119)
Sprachlich ganz anders äußert sich der theologisch ausgebildete, bekenntmäßig stark festgelegte Autor im Nachwort. Da wird die Sinnfrage dann wie folgt gestellt: „Welches Leben wollen wir führen, damit wir, wenn wir achtzig oder neunzig sind, zufrieden und glücklich auf das Vergangene zurückblicken?“ (Seite 141). Nach einem kleinen Seitenblick auf „viele Philosophen, die den Sinn des Lebens in den letzten Jahrhunderten“ in persönlicher Zufriedenheit sahen, kommt dann die eigentliche Antwort: „Christen sind überzeugt, dass Gott sie nicht einfach so aus einer Laune heraus in die Welt gestellt hat, sondern das Leben eines jeden Menschen einen Sinn hat“ (Seite 142). Wenige Sätze weiter erfolgt der Rückgriff auf Jesu Leben – sozial engagiert in seiner Vorbildrolle für heutige Jugendliche präsentiert – wogegen ja im Prinzip nichts einzuwenden wäre, käme es dann nicht knüppeldick christologisch: Mit Jesu Kreuzigung seien aber alle Pläne und Träume gescheitert. Allerdings: „Jesus ist drei Tage später von den Toten auferstanden. Dieses Beispiel soll uns gerade dann Hoffnung machen, wenn wir uns in einer ähnlichen Situation befinden.“ (Seite 143)!
Danach wird in weiteren Kapiteln für jede der 11 seichten Beispielgeschichten eine entsprechende Deutung und Nutzanwendung im „christlichen“ Sinn vorgegeben. Das Buch schließt mit dem Rat:
„Wer Gott und sich selbst vertraut, wird die gesuchte Antwort immer wieder finden.
Und nach allem Suchen,
sich verirren,
den Umwegen
wird die Antwort plötzlich blinken
vielleicht nicht heute, nicht morgen,
aber bis zum Ende unserer Tage.“ (Seite 155).
Der relativ junge (katholische?) Autor versucht, mit recht naiv-schlichten fiktiven Texten, die durch Schüler-Jargon und -milieu eher peinlich und anbiedernd wirken, Jugendliche anzusprechen. Diese Texte werfen jedoch gar nicht die Fragen auf, die der Verfasser in predigender Absicht meint beantworten zu müssen.
Rezensent: Margot Rickers
Personen: Sigg, Stephan
Sigg, Stephan:
Sinn : Geschichten und Texte über den Sinn des Lebens / Stephan Sigg. - Stuttgart : Gabriel, 2014. - 155 S. ; 22 cm
ISBN 978-3-522-30319-4
Christlicher Glaube, Religionen, religiöse Weltanschauungen - Signatur: Jc - Bücher