Die verwitwete Ulla startet mit ihren 74 Jahren noch einmal durch, sehr zum Entsetzen der erbwütigen Nachkommen.
Rezension
Das Leben hat ihr wenig erspart: eine miserable Ehe, der anstrengende Alltag mit zwei Kindern, der Alkoholismus des Gatten, Brustkrebs und lange Jahre als kostenlose Krankenpflegerin. Nun beginnt Ich-Erzählerin Ulla, 74 und seit kurzem verwitwet, ein Leben ganz nach ihrem Geschmack: zentrumsnahe Eigentumswohnung in Helsinki, Freundschaftspflege, Hobbys und Herrin ihrer eigenen Zeit. Die beiden erwachsenen Kinder sind entsetzt, wollen der „unwürdigen Greisin“ sogar ein Altenheim schmackhaft machen. Ulla verspürt neue Lebensenergie. Das fällt auch dem um einige Jahre jüngeren Steinmetz Kari auf. Wunderbar, wie treffend sich die Autorin, Jahrgang 1963, in den Silverager Ulla einfühlen kann. Das zeigen vor allem die inneren Monologe, die ein Feuerwerk an schonungslosen Beobachtungen über die positiven wie negativen Seiten des Älterwerdens abfeuern. Kein Auge bleibt hier trocken, vor Lachen wie auch vor Rührung und Trauer über den letzten Lebensabschnitt. Spritzig, tiefgründig und wahr.
Diesen traurig-amüsanten mitunter überspitzt formulierten Roman sollten Seniorinnen genauso lesen wie ihr wohlmeinender, übergriffiger Nachwuchs. Wärmste Empfehlung.Rezensent: Martina Mattes
Personen: Lindgren, Minna Kritzokat, Elina
Lindgren, Minna:
Spätsommer ist auch noch Sommer : Roman / Minna Lindgren. Dt. von Elina Kritzokat. - Köln : Kiepenheuer & Witsch, 2020. - 317 S. ; 22 cm. -
ISBN 978-3-462-05264-0
Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik - Signatur: SL - Bücher