Ein „Weeping Song“ (Nick Cave) auf das Ende des DDR-Sozialismus und über die Hoffnungen auf einen Neuanfang.
Rezension
Die Hauptfigur, Karl, trägt stark autobiografische Züge. „Stern 111“, das war das von Kind Karl bewunderte Kofferradio der frühen DDR. Das Drehen am Sucherknopf ist quasi zum Strukturprinzip dieses Romans über die Wendezeit 1989/90 geworden: Die unterschiedlichsten Stimmen werden eingefangen und fügen sich nach und nach zu einem Klanggemälde, in dem die Sehnsüchte und Widersprüche der Wendezeit anschaulich werden. Basso Continuo der Geschichte ist das Brummen des Shiguli (Lada 124), dem Sehnsuchtsauto der DDR. Als Lizenznachbau eines FIATs vermittelte es eine erste Vorstellung von dem, was man sich vom Goldenen Westen erhoffte. Karl bekommt den Shiguli von seinen Eltern geschenkt, die trotz einer nach DDR-Maßstäben gesicherten Existenz gleich nach dem Mauerfall eine neue private und berufliche Freiheit suchen. Dem Sohn vertrauen sie Haus und Fahrzeug an. Karl muss sich nun als verbummelter Student dem Leben stellen und die Eltern kämpfen mit den Widrigkeiten des Westens.
In diesem multiperspektivisch angelegten Entwicklungsroman werden amüsant, tiefsinnig und zum Teil abgedreht widersprüchliche Lebensentwürfe auf den Prüfstand gestellt.Rezensent: Rüdiger Sareika
Personen: Seiler, Lutz
Seiler, Lutz:
Stern 111 : Roman / Lutz Seiler. - Berlin : Suhrkamp, 2020. - 521 S. ; 22 cm
ISBN 978-3-518-42925-9
Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik - Signatur: SL - Bücher