Die Ich-Erzählerin ist eine Mutter, die ihren toten Sohn im Arm hält.
Rezension
Aufopfernd hat sie den Schwerkranken gepflegt. In einem langen Monolog reflektiert sie ihr Leben mit dem kriegsversehrten Mann. In der schwierigen Nachkriegszeit führten sie ein erfolgreiches Textilgeschäft. Eine Steuerzahlung hätte ihren Mann fast umgebracht. Sie erzählt von den Eltern und Vorfahren: Bauern, die aus Polen, der Ukraine und Russland stammen. Ihre Devise hieß: ihre Sache auf Gott zu stellen. Man erfährt viel über die Nachkriegszeit. Die Mutter spart für den Kauf eines Klaviers für den Sohn. Für sie war ein vollständiges Kaffeegeschirr wichtig. Schmerzlich sind die Erinnerungen an die Flucht, als drei Russen ihren Mann aus dem Flüchtlingstreck holten, sie ging sogleich mit, wurde vergewaltigt, beide wurden fast erschossen. Der einzige Sohn blieb ihr immer ein Fremder, er blieb eine traumatische Gewalterfahrung. Sie hatte nie darüber sprechen können. Noch im Moment des größten Verlustes muss Geheimnis bleiben, was das Zusammenleben mit ihrem Mann prägte.
Eine intensive Erzählung. Geeignet auch für junge Erwachsene, die wenig über diese Zeit wissen.Rezensent: Christine Razum
Personen: Treichel, Hans-Ulrich
Treichel, Hans-Ulrich:
Tagesanbruch : Erzählung / Hans-Ulrich Treichel. - München : Suhrkamp, 2016. - 86 S. ; 21 cm
ISBN 978-3-518-42525-1
Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik - Signatur: SL - Bücher