Rezension
Johanna hat ihre über 80-jährige Mutter durch den Corona Virus verloren, eine Sterbebegleitung in der Intensivstation wurde ihr verwehrt. Johannas Trauer, über die sie in Briefen an Max, ihren einstigen Philosophielehrer schreibt, ist zunächst von unbändigem Zorn über das einsame "Coronasterben", verordnet von gefühllosen Behörden, erfüllt. Ist es nicht überhaupt eine Zumutung, dass alles Lebendige sterblich ist? Max schickt ihr Postkarten mit lakonischen Sätzen zurück, die ihren Erwartungen auf Trost keineswegs entgegenkommen, sondern ihren Zorn zunächst steigern. Nach einiger Zeit aber hält sie inne und holt die Erinnerungen an ihre philosophischen Studien hervor. Es sind u. a. die Gedanken des stoischen Sokrates und Zitate seines römischen Nachfolgers Seneca, die Johanna rekapituliert. Ist der Mensch doch dem launischen Schicksal ausgeliefert, das ihn wie das stürmische Meer ein kleines Boot gnadenlos hin und herwirft und ihn am Ende verschlingt. Aber Johanna sehnt sich nach Lebensbejahung nicht nach Resignation, nach Ausgelassenheit, nach Geselligkeit und Festen. Wie geht das zusammen, dieses "carpe diem" mit der stoischen Lebensverachtung? Am Ende des Buches steht der nicht sehr geglückte Versuch, das Leben zu lieben und den Tod nicht zu scheuen. Die Form des Briefromans erlaubt ein höchst subjektives, unstrukturiertes und vor allem schnelles Schreiben. Der Weg in die griechische und römische Philosophie des Stoizismus, die Ablehnung religiösen Denkens, die etwas wahllosen Rückgriffe auf Simone de Beauvoir und Susan Sontag bieten philosophische Erkenntnisse in kleinen Häppchen und sind denkbar oberflächlich. Mehr als eilig hingeworfene Bildungselemente sind sie nicht. So geht es von Stöckchen auf Hölzchen auch quer durch die Themen der Zeit. Es fehlt weder das Problem der Erderwärmung, noch die Genderdiskussion, noch die Medienschelte. Dazwischen gestreut kurze Rückblicke auf Johannas spezielle Familiengeschichte. "Trost" mit seinem brandaktuellen Thema hat ungewöhnlich viel positive Aufmerksamkeit erfahren, die die Rezensentin leider nicht teilen kann. Vor allem: Mit "Trost" hat dieser Bauchladen an historischem Gedankengut und zeitgenössischer Meinungsmaschine so gut wie nichts zu tun
Personen: Dorn, Thea
Dorn, Thea:
Trost : Briefe an Max / Thea Dorn. - München : Penguin, 2021. - 169 S. : Ill. ; 29 cm
ISBN 978-3-328-60173-9 geb. : EUR 16.00
Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik, Sammlungen - Signatur: Dor - Buch