Wiener Familiengeschichte aus Sicht eines Nachkriegskindes zu jüdischen Verfolgten im Dritten Reich und heutigen Geflüchteten.
Rezension
Geschichte wiederholt sich nicht, sondern kommt neu in anderem Gewand daher – das ist das Schluss-Fazit der Protagonistin Lea. Das Wiener Nachkriegskind hatte einst Geschichte studiert, um die Geschichte ihrer jüdischen Eltern, deren Flucht nach England, das Schicksal der ermordeten Groß- und Schwiegereltern besser zu verstehen – aber sah dies immer nur im historischen Kontext. Doch das „Trauma der Verfolgten“, die bleibende Angst ihrer lebenslustigen Mutter, kann sie erst richtig empfinden mit Gefühlen von Unsicherheit, Bedrohung, hilfloser Wut angesichts der Gegenwart, der ablehnenden Haltung gegenüber Geflüchteten, Schülern die über zu viel Fremde reden, dem abgeschobenen Freund der Tochter aus Afghanistan, und dem bei einem Terroranschlag in Paris ermordeten Sohn. Lea reflektiert, stellt sich Fragen, aber ihre Gegenwart, ihre Ehe wird stumm. Die unmittelbare, genaue, auch spannende Erzählweise, nicht nur ernst, zieht den Leser mit, regt zum Nachdenken an.
Anspruchsvolle Lektüre, die, obwohl Roman, auch zum politischen Gespräch beitragen kann.Rezensent: Delia Ehrenheim-Schmidt
Personen: Scholl, Susanne
Scholl, Susanne:
Wachtraum : Roman / Susanne Scholl. - Salzburg : Residenz, 2017. - 218 S. ; 21 cm
ISBN 978-3-7017-1681-4
Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik - Signatur: SL - Bücher