Fünf Erzählungen zu sehr unterschiedlichen Themen.
Rezension
Die Erzählungen, die hier mehrheitlich erstmals auf Deutsch in eindrucksvoller Übersetzung erscheinen, thematisieren Phänomene, die uns auch heute noch, wenn nicht sogar mehr als bei Erscheinen vor drei Jahrzehnten, betreffen. Befremden, Mitleid, Anteilnahme stehen gegen Gleichgültigkeit, Formalität oder Negation von Problemen. Anders als in ihren oft radikalen Essays ist die Autorin hier abwägend, Alternativen auslotend oder eigene Fehler ergründend und eingestehend unterwegs. Die Titelgeschichte, in der ein Freundeskreis über einen schwer erkrankten Freund redet und sich ständig über ihn amüsiert, der selbst nie zu Wort kommt, befremdet, gewinnt der Leser doch mehr und mehr den Eindruck als redeten die Freunde über einen bereits Verstorbenen. Ähnliches sich fremd Bleiben, zeichnet die Begegnung der 14Jährigen im Jahr 1947 mit dem von ihr verehrten Nobelpreisträger Thomas Mann aus, bei dem sie auf Initiative eines Freundes mitgegangen ist, aber es zu keinem Gespräch kommt. Es bleibt vielmehr eine über Jahre hinweg bestehende Scham in ihrer Erinnerung zurück.
Der Band bietet auch für Susan-Sontag-Kenner und -Verehrer einen neuen Blick auf ihr Denken und ihre Arbeitsweise.Rezensent: Halgard Kuhn
Personen: Sontag, Susan Razum, Kathrin Lueken, Verena
Sontag, Susan:
Wie wir jetzt leben : Erzählungen / Susan Sontag. Dt. von Kathrin Razum. Mit einem Nachwort von Verena Lueken. - München : Hanser, 2020. - 123 S. ; 21 cm. -
ISBN 978-3-446-26764-0
Romane, Erzählungen, Dramen, Lyrik - Signatur: SL - Bücher