Klingl, Livia
Wir können doch nicht alle nehmen Europa zwischen „Das Boot ist voll“ und „Wir sterben aus“
Bücher

Während immer mehr Menschen vor Gewalt und religiösem Fanatismus, vor Krieg und Hunger fliehen, zieht Europa die Festungsmauern hoch – und beraubt sich damit nach Ansicht der langjährigen Außenpolitik-Journalistin Livia Klingl selbst vieler Zukunftschancen. Denn es sei nicht nur humanitäre Pflicht und geltendes Gesetz, Flüchtlinge aufzunehmen, es sei auch sinnvoll, ja notwendig, Zuwanderung zuzulassen. Es wäre aus reinem Eigennutz hoch an der Zeit für eine neue Ausländerpolitik.


Rezension

„Nicht gutmenschig, sondern hochgradig pragmatisch“ (Verlagstext) meldet sich Livia Klingl mitten in der Flüchtlingskrise zu Wort. Der Untertitel ihres Buches, „Europa zwischen ‚Das Boot ist voll‘ und ‚Wir sterben aus‘“, legt nahe, dass die Flüchtlingswelle in der EU nicht einseitig beleuchtet wird. Doch letztlich tut dieses Buch genau das, wird hier doch die These aufgestellt, dass Europa die Einwanderer (ob nun Arbeitsmigranten oder Flüchtlinge) angesichts schrumpfender Geburtenraten und steigendem Pflegenotstand dringend braucht. Sicher ein wichtiger und richtiger Aspekt, aber eben nur einer – und allemal mehr Plädoyer für eine offene Flüchtlingspolitik als es bei einem Sachbuch mit diesem Titel zu erwarten wäre. Gleich das erste Kapitel, „Warum wir Migration brauchen“, gibt somit die Richtung für das ganze Buch vor in seinem Plädoyer für die Zuwanderung. Das ist zwar ehrenwert, der Titel des Buches lässt aber eigentlich anderes erwarten. Das Cover-Foto - ein überfülltes Flüchtlingsboot, wie man es aus zahlreichen Berichten über immer neue Tragödien im Mittelmeer kennt – findet seinen thematischen Niederschlag immerhin im umfangreichsten Kapitel des Buches: „Was sie erwartet auf der Flucht“. Hier wird die Situation der Flüchtlinge vor, bei und nach der Flucht nach Europa eindrucksvoll und bewegend dargestellt. Und auch die Politik der EU-Staaten im Vorfeld der großen Wanderungsbewegung wird hier kritisch geschildert – ein Gewinn, um die Situation in ihrem weltpolitischen Kontext zu verstehen. Lesenswert – wie auch die folgenden 16 Schicksale in Österreich lebender Menschen mit Migrationshintergrund. Von denen entstammen aber gerade einmal drei der aktuellen Fluchtwelle (die anderen sind meist ehemalige Gastarbeiter) - Autorin Klingl unterscheidet nicht deutlich zwischen Flüchtlingen und Arbeitsmigranten. Als Positivbeispiele für den wirtschaftlichen Nutzen für unsere Gesellschaft - immerhin die Grundthese des Buches – taugen diese Biografien in der aktuellen Diskussion über die Flüchtlinge nur wenig.

Die Darstellung der Asyl-Politik bezieht sich zudem vor allem auf Österreich, was für Leser in Deutschland nicht unbedingt ein Plus ist. Darüber hinaus verweist die Autorin kaum auf Quellen – der Verweis auf „Wikipedia“ erscheint in einem Sachbuch eher peinlich. Unter dem Eindruck der Flüchtlingswelle und der öffentlichen Diskussion darüber scheint

Rezensent: Klaus Frieling


Personen: Klingl, Livia

Schlagwörter: Einwanderung Flüchtlinge Multikulti

Klingl, Livia:
Wir können doch nicht alle nehmen : Europa zwischen „Das Boot ist voll“ und „Wir sterben aus“ / Livia Klingl. - Wien : K & S, 2015. - 190 S. ; 22 cm
ISBN 978-3-218-00968-3

Zugangsnummer: 35051
Zeitkritik und Zukunftsfragen - Signatur: Se - Bücher